Positionen

Wie fair ist der Fairtrade-Preis?

Das VOICE-Netzwerk hat verschiedene Berechnungen für existenzsichernde Einkommen im Kakaoanbau unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Alle sind zu niedrig!

von Evelyn Bahn
Veröffentlicht 13. FEBRUARY 2020

Noch immer lebt die Mehrheit der Kakaobauernfamilien in Westafrika unter der Armutsgrenze. Ein wichtiger Grund dafür ist der zu niedrige Kakaopreis. Verschiedene Akteure haben deshalb im letzten Jahr begonnen, Empfehlungen für existenzsichernde Kakaopreise auszusprechen – von Fairtrade über das holländische Unternehmen Tony’s Chocolonely bis zu den Regierungen von Ghana und der Elfenbeinküste. Das VOICE-Netzwerk hat die verschiedenen Vorschläge auf den Prüfstand gestellt. Das Ergebnis: Unrealistische Annahmen führen dazu, dass der existenzsichernde Preis jeweils zu niedrig berechnet wird.

Ab Oktober 2020 wollen die Regierungen von Ghana und der Elfenbeinküste Kakaobauern und –bäuerinnen einen staatlich garantierten Ab-Hof-Kakaopreis von 1.820 US-Dollar pro Tonne garantieren. Finanzieren wollen sie die Preiserhöhung durch einen Preisaufschlag von 400 US-Dollar por Tonne, den alle Kakao- und Schokoladenunternehmen für den Kakao aus den beiden westafrikanischen Ländern bezahlen müssen.

Laut Fairtrade müsste der Ab-Hof-Preis in der Elfenbeinküste sogar 2.200 US-Dollar pro Tonne betragen, um ein existenzsicherndes Einkommen zu ermöglichen. Der niederländische Schokoladenhersteller Tony’s Chocolonely zahlt als erstes Unternehmen tatsächlich den Referenzpreis von Fairtrade – rechnet darin aber die Fairtrade-Prämie mit ein, die eigentlich zusätzlich gezahlt wird.

    Ausgestattet mit neuen Daten hat das VOICE-Netzwerk, dem in Deutschland INKOTA und das Südwind-Institut angehören, die unterschiedlichen Referenzpreise für existenzsichernde Einkommen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Alle Berechnungen basieren auf unrealistischen Annahmen, weil sie hohe Ertragssteigerungen voraussetzen, ohne die damit einhergehenden steigenden Produktionskosten ausreichend zu berücksichtigen. Außerdem setzen sie eine Verfügbarkeit von Arbeitskraft und erschwinglichen Krediten voraus, die in vielen Anbauregionen in Westafrika nicht gegeben ist. Das VOICE-Netzwerk kommt zu dem Ergebnis, dass der minimale Ab-Hof-Preis für ein existenzsicherndes Einkommen in der Elfenbeinküste bei 3.166 US-Dollar pro Tonne Kakao liegen müsste – also etwa 45 Prozent höher als der von Fairtrade kalkulierte Preis. In Ghana müsste nach Berechnungen von des VOICE-Netzwerk ein existenzsichernder Kakaopreis bei 3.116 US-Dollar liegen.

    Dennoch stellt das Papier die untersuchten Akteure als Vorreiter im Kakaosektor heraus. Denn andere Akteure in der Kakao-Lieferkette haben bisher gar keinen Referenzpreis für existenzsichernde Einkommen. Das schließt neben den großen Schokoladen- und Kakaounternehmen auch die Rainforest Alliance mit ein, die sich bisher weigert, ein solches Instrument in ihren Zertifizierungsstandard aufzunehmen.

    INKOTA fordert:

    • Schokoladenunternehmen und Nachhaltigkeitsstandards sollten existenzsichernde Einkommen als Menschenrecht anerkennen und klare Aussagen zur Höhe eines minimalen Ab-Hof-Kakaopreises treffen.
    • Berechnungen existenzsichernder Preise müssen sich an den tatsächlichen Lebensrealitäten der Kakaobauernfamilien orientieren.

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