Die Digitalisierung ist in aller Munde und aus unserem Alltag ist sie kaum noch wegzudenken, dabei verspricht die Digitale Transformation die Lösung nahezu aller Probleme: Dem Fachkräftemangel wird durch die digitalisierte Arbeitswelt „4.0“ und künstliche Intelligenz begegnet. Die Auswirkungen des Klimawandels könne man mit „smarten digitalen Lösungen“ abbremsen oder gar umkehren und damit ganz nebenbei auch noch die Welt besser ernähren. In diesem Prozess werden die Grenzen fließender, die Grauzonen breit. Denn nicht nur die Unterscheidung zwischen realer und virtueller Welt löst sich zunehmend auf, je stärker Beruf, Freundschaften, Freizeit aber auch Beziehungen im Internet stattfinden und das Leben zu einem großen digitalen Malstrom wird, dann verschiebt sich die Perspektive und die Verantwortlichkeit ändert sich. Diese tiefgreifende Veränderung unserer Wirklichkeit und Arbeitswelt hat inzwischen auch die elementarsten Bereiche unseres Lebens erreicht: Die Lebensmittelproduktion. Wie werden wir in der Zukunft unser Essen erzeugen? Seit knapp 15 Jahren pflügt die „Digitale Revolution“ auch den Agrarsektor um - verändert Produktionsweisen, Besitzstandsverhältnisse und somit auch unsere Verbindung zum Acker, zu den Tieren und Pflanzen. Schon längst tragen Kühe digitale Bewegungsmelder und werden von Milchrobotern gemolken. Wetterdaten von Satellitenbildern werden von Computern mit Hilfe von künstlicher Intelligenz analysiert, automatisch zu Hilfe genommen, um zu entscheiden, wann Felder geerntet oder mit welchen Pestiziden sie besprüht werden. Aber was macht das mit der Landwirtschaft? Welche Folgen hat dieser Transformationsprozess für die Landwirte und unsere Lebensmittelproduktion? Wo liegen die Chancen und Risiken dieser Transformation? Der Journalist Peter Kreysler hat sich auf die Spurensuche begeben.

Sie können den folgenden Text auch hören.


Peter Kreysler: „Digitale Landwirtschaft, ein großes Thema. Können Sie uns sagen, was Sie damit verbinden?“

Hubertus Paetow, DLG Vorstand: „Digitalisierung ist einerseits natürlich eine wahnsinnig faszinierende große neue Technologie, mit unendlich vielen Möglichkeiten in ganz vielen Bereichen des täglichen Lebens.“

So Hubertus Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft. Als ich den Präsidenten der DLG an einem stürmischen Novemberabend in Berlin Mitte treffe, diskutiert er bei der Deutschen Bank mit Politikern, Agrarexperten und Lobbyisten über die Probleme mit der Düngeverordnung. „Sehen Sie, das Thema Digitalisierung der Landwirtschaft ist allgegenwärtig“, wie er lachend einräumt, denn auch das Problem der Überdüngung könnte man in Zukunft vielleicht mit Hilfe der Digitalisierung in den Griff bekommen.

Hubertus Paetow, DLG Vorstand: „Digitalisierung ist einerseits natürlich eine wahnsinnig faszinierende große neue Technologie, mit unendlich vielen Möglichkeiten in ganz vielen Bereichen des täglichen Lebens.“

So Hubertus Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft. Als ich den Präsidenten der DLG an einem stürmischen Novemberabend in Berlin Mitte treffe, diskutiert er bei der Deutschen Bank mit Politikern, Agrarexperten und Lobbyisten über die Probleme mit der Düngeverordnung. „Sehen Sie, das Thema Digitalisierung der Landwirtschaft ist allgegenwärtig“, wie er lachend einräumt, denn auch das Problem der Überdüngung könnte man in Zukunft vielleicht mit Hilfe der Digitalisierung in den Griff bekommen.

Peter Kreysler: „Können Sie ein paar konkrete Beispiele nennen, wo das Sinn macht?“

Hubertus Paetow: „Ein Bereich ist der ganze Bereich Erntescheidungsunterstützung, Prognosesysteme, Satelliten-Daten für bessere Düngungen. Da müssen wir zwar noch viel viel dran arbeiten, dass wir die Systeme da so konsistent hinkriegen, dass sie auch wirklich zum Erfolg führen.“

So gibt es bereits computergesteuerte Traktoren, die genau so viel Gülle ausbringen, wie auf jedem Meter eines Feldes benötigt wird. Die Informationen dazu liefert eine mit Sensoren ausgestattete Drohne, die das Feld vorher abgeflogen hat und den Nährstoffbedarf des Feldes misst. „Sicherlich, alles noch Zukunftsmusik“, räumt Paetow ein.

Hubertus Paetow: „Den größten ,Drive’ haben wir im Moment bei der Automatisierung. Zum Beispiel Unkrautroboter in Reinkulturen sind eine Technologie, die ist heute verfügbar, die können Sie heute kaufen. Im Gemüseanbau laufen die ersten Systeme auch schon mehrere Jahre und sind da wirklich erfolgreich. Das ist eine Technologie, die sehe ich unmittelbar im Kommen.“

Hier könnte dann im Gemüseanbau auf Herbizide ganz verzichtet werden - geschont würde die Umwelt. Schaumschlägerei ist nicht die Sache von Paetow, lieber dämpft er heute die hohen Erwartungen und falschen Heilsversprechen.

Hubertus Paetow: „Auf der anderen Seite müssen wir ein bisschen vorsichtig sein, ob wir in so einem Bereich wie Landwirtschaft nicht dann die Möglichkeiten und Potentiale digitaler Lösungen auch überschätzen. Am Ende sind es Werkzeuge, die uns bei unserer Gesamtaufgabe ständig in der Produktion, die richtige Entscheidung zu treffen, unterstützen oder eben auch Vorgänge autonom ausführen können, die ansonsten in mühevoller Handarbeit durchgeführt werden.“

Ich will genauer wissen, wie es denn um die Chancen und Risiken bei der Digitalisierung bestellt ist. In der Potsdamer Straße am Rande des Berliner Regierungsviertels wird über diese Fragen nachgedacht. Im Institut für ökologische Wirtschaftsforschung zerbrechen sich Forscher über Nutzen und Schaden der digitalen Landwirtschaft den Kopf.

Steffen Lange, Institut ökologische Wirtschaftsforschung: „Mein Name ist Steffen Lange, ich bin Wirtschaftswissenschaftler und Forscher und arbeite vor allen Dingen zu nachhaltigem Wirtschaften. Digitalisierung spielt bei uns in ganz vielen Bereichen eine Rolle, im Energiebereich, im Mobilitätsbereich und eben auch im Landwirtschaftsbereich. // Wir haben gerade ein Forschungsprojekt zu Digitalisierung und Biodiversität, in dem wir untersuchen, welche Chancen und Risiken es dazu gibt.“

Steffen Lange, Institut ökologische Wirtschaftsforschung: „Mein Name ist Steffen Lange, ich bin Wirtschaftswissenschaftler und Forscher und arbeite vor allen Dingen zu nachhaltigem Wirtschaften. Digitalisierung spielt bei uns in ganz vielen Bereichen eine Rolle, im Energiebereich, im Mobilitätsbereich und eben auch im Landwirtschaftsbereich. // Wir haben gerade ein Forschungsprojekt zu Digitalisierung und Biodiversität, in dem wir untersuchen, welche Chancen und Risiken es dazu gibt.“

Peter Kreysler: „Das klingt doch ganz spannend, was haben Sie denn da rausgefunden?“

Steffen Lange: „Das Projekt läuft noch, aber was wir uns da anschauen sind neue Technologien, wie zum Beispiel Feldroboter und drohnen-basierte Systeme, und versuchen herauszubekommen, was man damit an Biodiversität fördern könnte, wenn man es denn richtig großflächig installieren würde. Das sind erst einmal Pilot-Projekte, die noch nicht breitflächig in der Praxis umgesetzt wurden. Und auf der anderen Seite schauen wir uns auch die Risiken an.“

Peter Kreysler: „Wo sehen Sie die Risiken?“

Steffen Lange: „Wenn die Digitalisierung mit einer fortwährenden Monopolisierung einhergeht, mit einer Machtkonzentration bei den Konzernen, denen die Daten gehören, dann sind das - aus ökonomischer, aber auch aus ökologischer Perspektive - eher Risiken als Chancen.“

Der Forscher Lange erklärt mir das nun etwas genauer. Zwar könnte die neue digitale Technologie es inzwischen nicht nur theoretisch ermöglichen, dass mehr unterschiedliche Pflanzensorten auf ein Feld gepflanzt werden oder aber dass Dünger und Pestizide besser abgestimmt angewendet werden, aber bisher waren das alles nur Pilotversuche. Das so genannte „Precision-Farming“, also die so beschworene „Präzisionslandwirtschaft“ würde bisher hauptsächlich für die „Ertragssteigerung“ genutzt, aber nicht, um Nachhaltigkeit zu verbessern oder um die Biodiversität zu stärken.

Steffen Lange: „Das Risiko ist aus meiner Sicht, dass die Digitalisierung ganz anders genutzt wird: Dass die Monokultur bestehen bleibt, dass die Maschinen noch vergrössern könnten, dass man zwar Drohnen einsetzt, das schon, aber dass man sehr große Traktoren einsetzt und sogar noch größere und dass insbesondere die Unternehmen, die dahinterstehen, immer größer werden, weil es immer wichtiger wird, wem die Daten gehören, und dass man ohne eine große Datenanalyse eigentlich gar keine Landwirtschaft mehr betreiben kann. Und einem kleinen Bauern fällt das erst mal schwerer, weil er die finanziellen Mittel nicht hat. Und gerade geht die Tendenz dahin, dass ihm die Daten gar nicht mehr gehören und er dann auch nicht mehr die Macht darüber hat, diese Daten auszuwerten - das müsste anders sein.“

Zur Zeit bewertet der Berliner Forscher am Ende meines Gesprächs die Chancen noch skeptisch, und er fragt sich, ob in Zukunft der Nutzen der Digitalisierung auch die Nachteile überwiegen wird. Am Schluss sagt er mir noch, dass hier die Politik in die Verantwortung kommt, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Auch im globalen Süden erhofft man sich durch vermehrte Nutzung der neuen digitalen Technologien Ertragssteigerungen, wie mir Neth Daño von der ETC Group aus den Philippinen erklärt. Sie ist neuen technischen Lösungen offen gegenüber, sieht den jetzigen Trend der Digitalisierung jedoch kritisch:

Auch im globalen Süden erhofft man sich durch vermehrte Nutzung der neuen digitalen Technologien Ertragssteigerungen, wie mir Neth Daño von der ETC Group aus den Philippinen erklärt. Sie ist neuen technischen Lösungen offen gegenüber, sieht den jetzigen Trend der Digitalisierung jedoch kritisch:

Neth Daño, ETC Group (Englisch): “Wir sehen wirklich nicht, wie die Digitalisierung eine Entwicklung einleiten wird, die unsere Bauern und Bäuerinnen aus Armut führen wird. Alle diejenigen, die sich keine digitalen Werkzeuge leisten können, werden noch mehr marginalisiert. 25 Prozent der Menschen in den Philippinen leben von der Landwirtschaft. Und das ist eine große Zahl arbeitender Menschen, die dann ihren Job in diesem Sektor verlieren werden. Das wird passieren, wenn die Digitalisierung der Landwirtschaft, wie sie jetzt hier von der Regierung propagiert wird, eingeführt wird.“

Dabei sind Bauern das zur Zeit noch recht offen. Gerade auch die Biobranche sieht in der Entwicklung eher Chancen, wie mir der Landwirt Bernd Voss erklärt.

Bernd Voß, Landwirt, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft: „Auf der einen Seite ist völlig klar, dass die Digitalisierung ein Hilfsmittel ist in der Landwirtschaft, hinsichtlich der Arbeitsqualität für die Menschen selber, aber auch hinsichtlich der Qualität der Arbeit mit den Tieren, auf den Feldern, und viele Perspektiven und Möglichkeiten gibt. Ich glaube, das muss man einmal festhalten und von daher muss man auch versuchen, das maximal zu nutzen. Und Digitalisierung in der Landwirtschaft ist ja überhaupt nicht neu, sondern ist einer der am meisten digitalisierten Bereiche, das wird häufig vergessen. Wir haben eben den Melk-Roboter, Kälber- und Rinderfütterung seit vielen vielen Jahren auf den Betrieben. Das ist das eine. Das andere ist, dass es häufig so dargestellt wird, dass alle Probleme der Landwirtschaft mit Digitalisierung gelöst werden. Und das ist ein ,Schmarren’, wenn ich das mal so sagen darf.“

Bernd Voß, Landwirt, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft: „Auf der einen Seite ist völlig klar, dass die Digitalisierung ein Hilfsmittel ist in der Landwirtschaft, hinsichtlich der Arbeitsqualität für die Menschen selber, aber auch hinsichtlich der Qualität der Arbeit mit den Tieren, auf den Feldern, und viele Perspektiven und Möglichkeiten gibt. Ich glaube, das muss man einmal festhalten und von daher muss man auch versuchen, das maximal zu nutzen. Und Digitalisierung in der Landwirtschaft ist ja überhaupt nicht neu, sondern ist einer der am meisten digitalisierten Bereiche, das wird häufig vergessen. Wir haben eben den Melk-Roboter, Kälber- und Rinderfütterung seit vielen vielen Jahren auf den Betrieben. Das ist das eine. Das andere ist, dass es häufig so dargestellt wird, dass alle Probleme der Landwirtschaft mit Digitalisierung gelöst werden. Und das ist ein ,Schmarren’, wenn ich das mal so sagen darf.“

Bernd Voß fasst die entscheidenden Punkte so zusammen:

Bernd Voß: „Wem gehört das Wissen? Wem gehören die Daten? Das ist ein ganz wichtiger Grundsatz.“

Geht es bei der Digitalisierung vornehmlich darum? „Also: Wem gehört das Wissen und wem gehören die Daten?“ Ich habe mich auf den Weg gemacht nach Hannover, um mir einen genaueren Eindruck zu verschaffen, wohin die Entwicklung der Landwirtschaft geht. Wie wird die Zukunft aussehen? Wie werden dann in dieser neuen Welt unsere Lebensmittel hergestellt? Vielleicht finde ich ja hier Antworten. Hier in Hannover-Laatzen findet alle zwei Jahre die grösste Agrarmesse der Welt: Die Agritechnica.

DB-Zugansage: „Verehrte Fahrgäste, wie bereits „angedroht“: Wir erreichen jetzt Hannover-Laatzen. Reisende zur Agritechnica steigen bitte jetzt hier aus!“

Zu dem riesigen Messegelände strömen tausende Menschen; drinnen in den Hallen dominieren gigantische Traktoren, Mähdrescher und Landmaschinen das Bild. Dort sehe ich selbstfahrende Traktoren ohne Lenkrad und Kabine und hier an diesem Messestand werden mit einem Laser Unkräuter bekämpft. Über mir schwebt eine überdimensionale Drohne, aus deren weißen Plastiktank könnten auch auf unwegsamen Hanglagen von Weinbergen Pestizide versprüht werden. Auf großen Bildschirmen des Veranstalters wird das diesjährige Motto der „Agritechnica“ beworben: Innovation. Auch der größte Traktoren-Hersteller John Deere ist gekommen, um hier seine Zukunftsvision zu präsentieren:

Zu dem riesigen Messegelände strömen tausende Menschen; drinnen in den Hallen dominieren gigantische Traktoren, Mähdrescher und Landmaschinen das Bild. Dort sehe ich selbstfahrende Traktoren ohne Lenkrad und Kabine und hier an diesem Messestand werden mit einem Laser Unkräuter bekämpft. Über mir schwebt eine überdimensionale Drohne, aus deren weißen Plastiktank könnten auch auf unwegsamen Hanglagen von Weinbergen Pestizide versprüht werden. Auf großen Bildschirmen des Veranstalters wird das diesjährige Motto der „Agritechnica“ beworben: Innovation. Auch der größte Traktoren-Hersteller John Deere ist gekommen, um hier seine Zukunftsvision zu präsentieren:

John Deere Messestand: „Herzlich Willkommen in der Zukunft, meine Damen und Herren. Ich möchte sie einladen, einen Blick in die Zukunft der Landtechnik zu werfen. Alles, was sie hier sehen, sind Konzepte und Prototypen, einige davon werden in den nächsten Jahren in Serie gehen, aber alle Maschinen hier sind voll funktionsfähig und dienen der Entwicklung von drei großen Kerntechnologien.“

Ich schaue mich um. Auch auf diesem Messestand überwiegen die selbstfahrenden Fahrzeuge. „Automation“ ist hier das neue Zauberwort, sie soll Arbeitserleichterung schaffen, Effizienz steigern. Alle vorgestellten Landmaschinen werden von künstlicher Intelligenz betrieben und gelenkt.

John Deere Messestand: „Das Spritzen [von Pestiziden] berührt auch das Thema künstliche Intelligenz. // Dabei handelt es sich hier um ein Ausbringungs-Verfahren – lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen –, bei dem jede Pflanze einzeln erkannt und behandelt wird, möglich gemacht durch spezielle Hochleistungskameras und eine intelligente Software.“

Eins wird klar: Die industrielle Landwirtschaft hat sich bereits seit langem aufgemacht, die neuen digitalen Werkzeuge in ihren Produktionsalltag zu integrieren. Die nächste Station meiner Spurensuche: Silicon Valley. Heute hängen die Wolken tief in der San-Francisco-Bay. Die Sonne wird sich auch am Nachmittag nicht durchkämpfen können. Die gegenüberliegenden Hügelketten sind nur schemenhaft zu erkennen. Dort, im fernen Dunst liegen die Firmenzentralen von Google, Apple und Facebook, weiter südlich hat sich der Autobauer Tesla-Motors aufgemacht, und zwar nicht nur, um die Elektro-Mobilität in Schwung zu bringen. Firmengründer Elon Musk schießt Satelliten in die Umlaufbahn, um Daten von den Äckern zu sammeln. Innovationen werden in der Bay am laufenden Band entwickelt. Auch die erfolgreichste Felderkennungssoftware „Field View“ des Unternehmens Climate Copperation stammt von hier. Doch die Digitalisierung der Landwirtschaft macht nicht Halt bei Maschinen, Traktoren und Sensoren. Bis in die „Software des Lebens“, der DNA, ist sie bereits vorgedrungen. Die programmierbare Genschere Crispr/Cas9 wird zunehmend eingesetzt, um das Saatgut zu verbessern und neue Nutztiere zu erschaffen. In dem weißen lang gezogenen Flachbau, vor dem ich jetzt stehe, wurden vor einigen Jahren, diese so genannten „Genscheren“ entwickelt: Megan Hochstrasser vom „Innovative Genomics Institute“ empfängt mich an der Sicherheitsschleuse. Sie will mir zeigen, wie „kinderleicht“ es ist, DNA umzuprogrammieren; aber auch, welche Wucht diese Entwicklung inzwischen hat. Wir laufen durch die Labore, wo überall an neuen Anwendungen geforscht wird.

Eins wird klar: Die industrielle Landwirtschaft hat sich bereits seit langem aufgemacht, die neuen digitalen Werkzeuge in ihren Produktionsalltag zu integrieren. Die nächste Station meiner Spurensuche: Silicon Valley. Heute hängen die Wolken tief in der San-Francisco-Bay. Die Sonne wird sich auch am Nachmittag nicht durchkämpfen können. Die gegenüberliegenden Hügelketten sind nur schemenhaft zu erkennen. Dort, im fernen Dunst liegen die Firmenzentralen von Google, Apple und Facebook, weiter südlich hat sich der Autobauer Tesla-Motors aufgemacht, und zwar nicht nur, um die Elektro-Mobilität in Schwung zu bringen. Firmengründer Elon Musk schießt Satelliten in die Umlaufbahn, um Daten von den Äckern zu sammeln. Innovationen werden in der Bay am laufenden Band entwickelt. Auch die erfolgreichste Felderkennungssoftware „Field View“ des Unternehmens Climate Copperation stammt von hier. Doch die Digitalisierung der Landwirtschaft macht nicht Halt bei Maschinen, Traktoren und Sensoren. Bis in die „Software des Lebens“, der DNA, ist sie bereits vorgedrungen. Die programmierbare Genschere Crispr/Cas9 wird zunehmend eingesetzt, um das Saatgut zu verbessern und neue Nutztiere zu erschaffen. In dem weißen lang gezogenen Flachbau, vor dem ich jetzt stehe, wurden vor einigen Jahren, diese so genannten „Genscheren“ entwickelt: Megan Hochstrasser vom „Innovative Genomics Institute“ empfängt mich an der Sicherheitsschleuse. Sie will mir zeigen, wie „kinderleicht“ es ist, DNA umzuprogrammieren; aber auch, welche Wucht diese Entwicklung inzwischen hat. Wir laufen durch die Labore, wo überall an neuen Anwendungen geforscht wird.

Megan Hochstrasser (Englisch): “Heute ist es also die simpelste Sache der Welt, RNA und DNA-Sequenz neu zu programmieren, zu schreiben oder zu verändern. Ich kann mich an meinen Computer setzen und diese Sequenz bestellen. Sagen wir, ich will die Kombination der Basenpaare A C T C C und dann klicke ich hier auf ,Bestellen’. Ein paar Tage später kommt genau die synthetisch hergestellte RNA hier mit der Post an. Es gibt inzwischen eine Reihe von Firmen, die DNA und RNA synthetisch schnell herstellen können. Es ist sehr billig geworden und es wird jeden Tag immer günstiger.“

Megan Hochstrasser (Englisch): “Heute ist es also die simpelste Sache der Welt, RNA und DNA-Sequenz neu zu programmieren, zu schreiben oder zu verändern. Ich kann mich an meinen Computer setzen und diese Sequenz bestellen. Sagen wir, ich will die Kombination der Basenpaare A C T C C und dann klicke ich hier auf ,Bestellen’. Ein paar Tage später kommt genau die synthetisch hergestellte RNA hier mit der Post an. Es gibt inzwischen eine Reihe von Firmen, die DNA und RNA synthetisch schnell herstellen können. Es ist sehr billig geworden und es wird jeden Tag immer günstiger.“

Das Lesen und Schreiben von Gensequenzen hat noch Anfang dieses Jahrtausends mehrere Millionen Dollar verschlungen und Jahre gedauert. Heute erledigt das eine Zulieferindustrie für 1000 Dollar und es dauert nur noch ein paar Tage. Fährt man mit dem Auto von der Westküste der Vereinigten Staaten in Richtung Osten, erreicht man Tage später den „Corn Belt“. Hier erstrecken sich bis zum Horizont Mais-, Soja- und Weizenfelder. In St. Louis befindet sich die Firmenzentrale von Monsanto, das inzwischen von der deutschen Bayer AG übernommen wurde. Um „fit für die Zukunft zu sein“, muss das Unternehmen stetig seine Geschäftsfelder erweitern - nach der horizontalen Integration folgt die vertikale. Nicht nur in der Neuen Gentechnik und bei Pestiziden ist das Unternehmen führend, auch bei dem Thema „Precision Farming“ wird ständig an neuen Lösungen geforscht und spannende „Start Ups“, die Agrar-Lösungen entwickelt haben, werden aufgekauft. Erklärtes Ziel ist es, „dass der Landwirt auf einer Plattform Komplettlösungen bekommt.“ Saatgut, Pflanzenschutz, Dünger, Feldbearbeitung und Ernte lägen dann gebündelt in der Kompetenz eines Unternehmens. Zwei Mitarbeiter der PR-Abteilung sind bereit, mich durch das Forschungs- und Innovationszentrum von Monsanto zu führen. Jetzt gewinne ich einen ersten Überblick, wie umfassend die Geschäftsfelder des Unternehmens sind. Im Keller fangen wir an:

Mitarbeiter Barton, BAYER-Monsanto (Englisch): “Der Chipper-Roboter wird von einem Computer gesteuert, Millionen von Samenkörnern werden geschnitten, bearbeitet und dann analysiert. Am Ende dieses Vorgangs bleibt nur eine Handvoll von Saatgutsorten mit der besten DNA.“

In der ersten Etage befindet sich das weltweit einzige Genlesegerät für Agrarprodukte. Ein unscheinbarer, aber leistungsstarker Kasten, wie ich erfahre:

Barton (Englisch): „Diese Maschine kann innerhalb eines Tages die DNA einer Pflanze erfassen. Um das menschliche Genom zu sequenzieren, brauchte es Jahrzehnte und hat Millionen von Dollar gekostet. Diese Maschine schafft das in ein paar Tagen und es kostet uns nur einige tausend Dollar.“

Eine Etage drüber werden neuste chemische Pflanzenschutzmittel hochautomatisch getestet, auch die Fußballfeld-großen Gewächshäuser auf den Dächern laufen hochautomatisch und werden von Computern gesteuert. Am Ende der mehrstündigen Tour zeigt mir Barton, wohin das Unternehmen zukünftig steuern will.

Barton: „Sie sind ja gerade durch Iowa gereist, das ist was Sie gesehen haben: große, unendliche Felder, tausende von Hektar. Sie sehen wie eins aus, aber wenn man die Hektar auf zehn Quadratmeter große Parzellen einteilt, dann stellt man fest: jedes dieser Parzellen ist unterschiedlich. Manche brauchen mehr Dünger, haben viel Wasser oder weniger, manche brauchen anderes Saatgut oder andere Pestizide. Durch unsere GPS-gelenkte Software können wir Pflanzmaschinen so steuern, dass sie Saatkörner dichter oder weiter voneinander entfernt pflanzen, kann Dünger mehr oder weniger verteilt werden. In unserer „Field View“ Technologie sehen wir den nächsten Wachstumsbereich im Agrarsektor.“

Im November 2019 kündigte der Landmaschinenhersteller Claas an, dass er mit Field View arbeiten wird. Die Landwirtschaftssoftware „Field View“ sammelt bereits von 150 Millionen Hektar Informationen und ist damit das führende Produkt in der digitalen Ackeranalyse. Damit konnte der führende Agrarkonzern Bayer auch in diesem Sektor seine Marktführerschaft deutlich behaupten. Klar wird, die Digitalisierung hat in der industrialisierten Landwirtschaft schon längst Fahrt aufgenommen, aber was bedeutet das für die Landwirtinnen und Landwirte?

Im November 2019 kündigte der Landmaschinenhersteller Claas an, dass er mit Field View arbeiten wird. Die Landwirtschaftssoftware „Field View“ sammelt bereits von 150 Millionen Hektar Informationen und ist damit das führende Produkt in der digitalen Ackeranalyse. Damit konnte der führende Agrarkonzern Bayer auch in diesem Sektor seine Marktführerschaft deutlich behaupten. Klar wird, die Digitalisierung hat in der industrialisierten Landwirtschaft schon längst Fahrt aufgenommen, aber was bedeutet das für die Landwirtinnen und Landwirte?

„Digitale Landwirtschaft“ ein INKOTA Podcast 2019 von Peter Kreysler. Es sprachen: Barbara Becker, Wolfgang Glum und Peter Kreysler. Musik: Zoe Keating, Redaktion: Lena Michelsen.

Das ist die erste Folge aus einer dreiteiligen Podcast-Reihe, die sich mit dem Einfluss digitaler Technologien in der Landwirtschaft beschäftigt. Hören Sie jetzt auch Folge 2 und Folge 3 der dreiteiligen INKOTA-Podcast-Reihe auf Soundcloud.

Dieser Podcast wurde gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.

Ihre Spende hilft!

INKOTA-Spendenkonto
IBAN DE 06 3506 0190 1555 0000 10
BIC GENODED1DKD

Hier können Sie für ein Projekt Ihrer Wahl oder zweckungebunden spenden: