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Kakao-Barometer 2018 warnt: Rezepte gegen Armut sind unzureichend

Das neue Kakaobarometer belegt: Die bisherigen Anstrengungen der Unternehmen reichen nicht aus. Existenzsichernde Einkommen sind die Grundvoraussetzung für Nachhaltigkeit.

von Evelyn Bahn
Veröffentlicht 14. SEPTEMBER 2018

Obwohl Schokoladenunternehmen seit Jahren mehr Nachhaltigkeit versprechen, hat sich die Situation der Kakaobauern und -bäuerinnen kaum verbessert. Zu diesem schockierenden Ergebnis kommt das Kakaobarometer 2018, das von einem zivilgesellschaftlichen Konsortium veröffentlicht wurde.

Das Wort „Nachhaltigkeit“ ist in der Schokoladenindustrie seit einigen Jahren in aller Munde. Alle großen Schokoladenunternehmen haben mittlerweile eigene Nachhaltigkeitsprogramme, viele der großen Hersteller haben sich zudem dazu bekannt, mittelfristig zu 100 Prozent zertifizierten Kakao für ihre Schokolade zu verwenden. Das neue Kakaobarometer belegt jedoch: Die bisherigen Anstrengungen der Unternehmen reichen bei weitem nicht aus, um die strukturellen Probleme im Kakaosektor zu lösen.

Insbesondere durch den dramatischen Verfall des Kakaopreises zwischen September 2016 und Februar 2017 hat die Armut vieler Bauern und Bäuerinnen sogar zugenommen. In der Elfenbeinküste reduzierte sich deren Einkommen aus dem Kakaoanbau innerhalb eines Jahres um 30-40%. Während die Bäuerinnen und Bauern besonders anfällig für Preisschwankungen sind, profitierten andere Akteure in der Wertschöpfungskette sogar von der Kakaopreiskrise. Ein Hauptgrund für den Preisverfall war ein Überangebot an Kakao auf dem Markt infolge einer Rekordernte in der Elfenbeinküste.

Von einem existenzsichernden Einkommen sind Kakaobäuerinnen und –bauern in Westafrika nach wie vor weit entfernt. Eine neue Studie von Fairtrade kommt zu dem Ergebnis, dass selbst zertifizierte Bauern in der Elfenbeinküste im Durchschnitt nur 37 Prozent eines existenzsichernden Einkommens verdienen. Mit anderen Worten: Das Einkommen müsste sich fast verdreifachen. 77 Prozent der zertifizierten Bauern und Bäuerinnen leben unterhalb der Armutsgrenze.

Das Kakaobarometer kritisiert deshalb, dass Zertifizierung allein die Probleme im Kakaosektor nicht lösen wird. Zwar tragen die verschiedenen Zertifizierungssysteme zu einer leichten Verbesserung der Einkommenssituation bei, bleiben aber insgesamt deutlich hinter dem Anspruch zurück, die Bauern langfristig aus der Armut zu befreien. Die Konkurrenz zwischen verschiedenen Standards erschwert zudem die dringend nötige Erhöhung von Mindestpreisen und Prämien auf ein angemessenes Niveau, da Schokoladenhersteller und Supermärkte häufig das billigste Siegel wählen. Das Kakaobarometer fordert, dass existenzsichernde Einkommen eine Kernanforderung jedes Zertifizierungssystems werden müssen.

Bei der Kinderarbeit hat es in den letzten Jahren zwar einen relativen Rückgang gegeben, die absolute Zahl der arbeitenden Kinder ist jedoch gestiegen (u.a. aufgrund einer Ausweitung des Kakaoanbaus) – auf rund 2,1 Millionen in der Elfenbeinküste und Ghana. Durch den Preisverfall seit Ende 2016 hat das Risiko der Kinderarbeit zugenommen. Die Schokoladenindustrie ist im Moment meilenweit davon entfernt, ihr Versprechen einzulösen, die schlimmsten Formen der Kinderarbeit bis 2020 um 70 Prozent zu reduzieren.

Die Ausweitung des Kakaoanbaus hat zudem zu massiver Regenwaldzerstörung geführt, wie ein Bericht der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Mighty Earth im vergangenen Herbst aufzeigte. Zwischen 30 und 40 Prozent des Kakaos in der Elfenbeinküste wird illegal in Naturschutzgebieten angebaut. Grund hierfür ist einerseits die mangelnde Durchsetzung des Umweltrechts durch staatliche Behörden, andererseits haben auch die großen Schokoladenhersteller jahrelang vor dem Problem die Augen verschlossen.

Das Kakaobarometer kommt deshalb zu dem Schluss: „Die Bemühungen des Kakaosektors, die Lebensbedingungen der Kakaobauern und ihrer Gemeinden zu verbessern und die Umwelt zu schützen, haben in den letzten Jahren nicht zu wesentlichen Verbesserungen geführt. Die bisherigen Ansätze werden den Dimensionen des Problems nicht annährend gerecht.“

Die zentralen Forderungen des Kakaobarometers an die Schokoladenindustrie lauten:

  • Schokoladenunternehmen sollen sich zu existenzsichernden Einkommen als Grundvoraussetzung für Nachhaltigkeit bekennen.
  • Nachhaltigkeitsprogramme sollten weniger auf eine Steigerung der Kakaoerträge, sondern stärker auf die Einkommenssituation der Bauern und Bäuerinnen fokussieren
  • Wo nötig, sollten die Unternehmen kurzfristig höhere Kakaopreise zahlen, bis längerfristige Lösungen für das Preisproblem gefunden wurden
  • Unternehmen sollten transparent über die Wirkungen ihrer Nachhaltigkeitsprojekte berichten

Von den Regierungen der Kakaokonsumländer fordert das Barometer:

  • Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen gesetzlich zu regeln
  • Maßnahmen gegen die zunehmende Marktkonzentration und das daraus resultierende Machtungleichgewicht zu Ungunsten der Kakaobauern und –bäuerinnen zu ergreifen
  • Das Wettbewerbsrecht so zu verändern, dass Diskussionen über eine faire Preisgestaltung möglich werden

Von den Regierungen der Kakaoanbauländer fordert das Barometer:

  • Mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht hinsichtlich der Steuereinnahmen und Investitionen im Kakaosektor
  • Den Schutz der Wälder zu gewährleisten und illegal abgeholzte Wälder wieder aufzuforsten
  • Eine ganzheitliche Landwirtschaftspolitik, die die Kakaobauern und –bäuerinnen auch beim Umstieg auf andere Agrarprodukte unterstützt
  • Eine Abstimmung der Kakaopolitik zwischen den wichtigsten Anbauländern, unter anderem um ein Kakaoüberangebot auf dem Markt zu vermeiden

Das Kakao-Barometer ist eine gemeinsame Publikation von VOICE, INKOTA, Stop the Traffik, ABVV-FGTB, FNV, SÜDWIND, Green America, Oxfam, Public Eye, Hivos, Mondial FNV, Solidaridad und ILRF.

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