Überall

Diktatur und Pandemie in Nicaragua

Wann
10.06.2020 | 18.30 Uhr
Kategorie
Online-Gespräch
Adresse
INKOTA-netzwerk
Chrysanthemenstraße 1-3
Überall
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In deutschen Medien und Gruppierungen kursieren immer wieder Falschinformationen über die Situation in Nicaragua, die auf einer unkritischen Haltung gegenüber dem nicaraguanischen Regime beruhen. Deshalb laden wir mit vier weiteren Berliner Gruppen eine der bekanntesten Persönlichkeiten der sandinistischen Revolution zum Online-Gespräch ein: Dora María Téllez, ehemalige Kommandantin der FSLN und von 1985 bis 1990 Gesundheitsministerin Nicaraguas.

Außerdem haben wir einen Überblick zur Situation im Land zu Zeiten von Corona zusammengestellt. Wir fordern ein Ende der Desinformation und Repression und effektive Maßnahmen der nicaraguanischen Regierung gegen das Corona-Virus!

Was: Online-Gespräch zur Lage in Nicaragua. Das Gespräch wird ausschließlich auf Spanisch stattfinden.

Mit: Dora María Téllez, ehemalige Kommandantin der FSLN im Befreiungskampf, von 1985–1990 Gesundheitsministerin. 1995 verließ sie die FSLN und gründete mit anderen ehemaligen Parteimitgliedern das Movimiento de Renovación Sandinista (Bewegung der sandinistischen Erneuerung). Sie ist eine Kritikerin der Politik von Präsident Ortega und Vizepräsidentin Murillo.

Wir bitten darum, sich per E-Mail anzumelden.

Überblick zur Situation in Nicaragua:

  • Seit in Nicaragua vor zwei Jahren, am 18. April 2018, Proteste der Bevölkerung gewaltsam unterdrückt wurden, denen die anhaltende Unterdrückung besonders der Landbevölkerung vorausgegangen war, prägen Repression, Verletzung der Menschenrechte und Außerkrafts-etzung der Bürger*innenrechte das Leben der Menschen in diesem Land.
  • Hinsichtlich Corona/Covid-19 spielt die Regierung Ortega/Murillo bis in die jüngste Zeit die Existenz und die Gefährlichkeit des Virus herunter, ignoriert sämtliche Empfehlungen der WHO und klärt die eigene Bevölkerung nicht auf. Darüber hinaus gefährdete sie sogar durch anberaumte Massenveranstaltungen - wie bspw. am 15. März die Demonstration: „Liebe in Zeiten von Covid-19“ - die Bevölkerung und trug aktiv zur Verbreitung des Virus bei.
  • Die 170.000 Staatsangestellten werden verpflichtet, weiter an ihren Arbeitsplätzen zu er-scheinen und an regierungstreuen Massenveranstaltungen teilzunehmen. Unter ihnen häufen sich rapide die Ansteckungen.
  • Die 1,8 Millionen Schüler*innen und Studierenden werden genötigt, persönlich zum Unterricht zu erscheinen. Wer der Aufforderung aus Angst vor Ansteckung nicht nachkommt, wird mit Strafen bedroht und sogar exmatrikuliert.
  • In den Monaten März und April war es Ärzt*innen und medizinischem Personal untersagt, Masken und andere Schutzausrüstung zu tragen, um die Bevölkerung nicht unnötig zu alar-mieren. Ein erheblicher Teil von ihnen ist inzwischen selbst an Covid-19 erkrankt.
  • Die Regierung verharmloste die gehäuften Todesfälle bis in die jüngste Zeit als „atypische Pneumonie“ und gibt nur zögerlich und unvollständig das tatsächliche Ausmaß und die Aus-wirkungen der Pandemie bekannt.
  • Seit die Regierung unter dem Druck der Öffentlichkeit am 19. Mai endlich mehr Daten veröf-fentlichte, wurde ersichtlich, dass innerhalb von nur einer Woche die Zahl der Corona-Erkrankungen von 25 auf 279 Fälle angestiegen war.
  • Seit Mitte Mai gibt es in Nicaragua sogenannte „Eil“-Bestattungen. Sie finden heimlich nachts statt. In weiße Schutzkleidung gehülltes Personal des Gesundheitswesens bringt versiegelte Särge auf die Friedhöfe. Die Familienangehörigen dürfen bei den Bestattungen nicht anwesend sein, die meist unter polizeilicher Aufsicht stattfinden.
  • Journalist*innen wird der Zugang zu den Friedhöfen verwehrt. Die Regierung benutzt ihren Sicherheitsapparat, um zu verhindern, dass die Toten registriert werden und dass über das Geschehen in den Krankenhäusern berichtet wird.
  • Besorgte Ärzt*innen, die ihr Wissen teilen und ihre Befürchtungen äußern, werden einge-schüchtert und als Staatsfeinde verleumdet.
  • Dies verstärkt die Unsicherheit und Verwirrung in der Bevölkerung, die völlig auf Selbstin-formation angewiesen ist, was Fehlinformation und Gerüchte begünstigt und zusätzliche Ge-fährdungen zur Folge hat.
  • Um sich zu wehren und zu schützen, entstehen Bürger*innenkomitees, die sich vernetzen und selber Daten erheben und abgleichen. Diese registrierten vom 21. bis 26. Mai einen 60-prozentigen Anstieg der Erkrankungen (3.725 statt offiziellen 759).
  • Am 18. Mai wandten sich (zum zweiten Mal) über 700 nicaraguanische Ärzt*innen mit einem Appell an Regierung, Bevölkerung und Weltöffentlichkeit, da das Gesundheitssystem vor dem Kollaps steht.
  • Die ökonomisch ohnehin prekäre Situation der Bevölkerung, von der der Großteil im infor-mellen Sektor arbeitet, spitzt sich weiter zu, denn durch Corona verloren viele ihre Arbeit und ihr Einkommen. Zeitgleich steigen die Preise der Grundnahrungsmittel und Medikamente.
  • Heute, Anfang Juni, ist Nicaragua auf dem besten Weg, mit mehr als 2.500 positiven Fällen und mehr als 400 Todesfällen eine der höchsten Raten von Coronavirus-Todesfällen in Mit-telamerika zu erreichen. Ohne eine Covid-19-Eindämmungsstrategie wird Nicaragua nicht in der Lage sein, die Gefahren der Pandemie zu überwinden.
  • Aktuell befinden sich in Nicaragua mindestens 86 Menschen aus politischen Gründen in Haft. Die politischen Gefangenen sind aufgrund überfüllter Gefängnisse, schlechter medizinischer Versorgung und Hygiene, Mangels an Trinkwasser und Medikamenten besonders vulnerabel gegenüber Covid-19. 37 politische Gefangene weisen derzeit Symptome auf, die in Zusam-menhang mit Covid-19 gebracht werden.
  • Die nicaraguanische Regierung handelt über ihre Botschaft in Deutschland unverantwortlich, indem sie die Wiederbelebung des Tourismus propagiert. Die Daten über Sicherheit, Hygiene und Gesundheit, die die nicaraguanische Regierung den ausländischen Tourismusunternehmen präsentiert, stimmen nicht mit der Lebenswirklichkeit der Bevölkerung überein.

Unsere Forderungen:

  • Wir bitten die deutschen Tourismusunternehmen, sich genau über die Lage in Nicaragua zu informieren und von der Organisation von Reisen abzusehen.
  • Wir bitten die deutsche Bevölkerung, die Bundesregierung und die Medien, der alarmierenden Situation der Menschen in Nicaragua mehr Aufmerksamkeit zu widmen und gegen die menschenverachtende Politik des Ortega-Murillo Regimes zu protestieren.
  • Wir unterstützen die Forderungen nach Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit für Nicaragua.
  • Wir fordern die Freilassung der politischen Gefangenen und die Wiederherstellung der bürgerlichen Freiheiten.
  • Wir fordern das Ortega-Murillo-Regime auf, seiner Verantwortung gerecht zu werden und die Coronavirus-Pandemie einzudämmen, die eine unmittelbare Bedrohung für die Gesundheit und das Leben Tausender Nicaraguaner*innen darstellt.

Unterzeichnende:

  • Grupo por la Vida, la Paz y la Democracia en Nicaragua, Berlin
  • Nicaragua-Solidarität Berlin
  • La Marimba
  • Städtepartnerschaft Kreuzberg – San Rafael del Sur e.V.
  • INKOTA-netzwerk

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