Südlink-Magazin

Bayer gibt sich grün

Wie der Konzern vorgaukelt, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen

von Lena Luig
Veröffentlicht 16. SEPTEMBER 2019

Wie so viele Konzerne betreibt auch der Agrar- und Chemiemulti Bayer Greenwashing. Um den Imageverlust nach der Übernahme des Gentechnik-Konzerns Monsanto auszugleichen, hat er gleich mehrere sogenannte Nachhaltigkeitskampagnen gestartet. Besonders perfide ist der Versuch, den Begriff Agrarökologie für eigene Interessen umzudefinieren.

Unter „Agrarökologie“ verstehen offensichtlich nicht alle dasselbe. Der Verband CropLife International hat dem Begriff auf seiner Webseite ein eigenes Quiz mit dem Titel „Wieviel wissen Sie über Agrarökologie?“ gewidmet.

Die Ergebnisse, die dabei herauskommen, sagen einiges über die Interessen des Verbands aus. Wenn man dort anklickt, die Aussage „Bei Agrarökologie geht es darum, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren“ sei korrekt, erscheint als Antwort: „Falsch.“ Ebenso „falsch“ ist die Antwortmöglichkeit „Agrarökologie ist eine politische Bewegung.“

Erklärt werden können diese Aussagen durch die Unternehmen, die sich unter dem Namen CropLife zusammengefunden haben: BASF, Bayer, Corteva Agriscience (der neue Agrarkonzern, zu dem sich Dow und DuPont zusammengeschlossen haben), Syngenta, der US-amerikanische Chemiekonzern FMC sowie das japanische Chemieunternehmen Sumitomo Chemical. Da braucht es keine weitere Erklärung.

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Südlink 189 - Agrarökologie
Wege in die Landwirtschaft der Zukunft | September 2019
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Südlink 189 - Agrarökologie
Wege in die Landwirtschaft der Zukunft | September 2019
  Klimawandel, ausgelaugte Böden und der grassierende Verlust an Biodiversität – die weitverbreitete Intensivlandwirtschaft ist eine wichtige Ursache all dieser Probleme. Doch es gibt eine Alternative: Agrarökologie. …

Jenseits der CropLife-Webseite rühmt sich Bayer gern mit seinem Engagement für Kleinbauern und -bäuerinnen sowie für die Umwelt. So verkündete der Bayer-Vorstandsvorsitzende Werner Baumann zur Übernahme von Monsanto: „Genauso wichtig wie unsere Finanzziele sind uns unsere Nachhaltigkeitsziele.“ Eine Aussage, die meilenwert entfernt ist von Bayers täglicher Geschäftspraxis.1

Greenwashing-Projekte mit begrenzter Wirkung
Erst im Juni dieses Jahres reagierte Bayer auf die massive Kritik – vor allem angesichts tausender drohender Strafverfahren in den USA von Krebspatient*innen, die in der Vergangenheit das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat eingesetzt hatten – mit einer neuen Nachhaltigkeitskampagne. Darin kündigt der Konzern zum einen an, die Zivilgesellschaft in das Verfahren zur Neuzulassung von Glyphosat in der Europäischen Union (EU) einzubeziehen, und gibt zum anderen an, in Zukunft strengere Sicherheitsstandards beim Pestizidverkauf im globalen Süden ansetzen zu wollen – im Übrigen eine Forderung von INKOTA, auf die Bayer hiermit einzugehen versucht.

Doch auch hier bleibt abzuwarten, ob den Worten auch Taten folgen und es tatsächlich zum Rückzug aus den Regalen von in der EU verbotenen Pestiziden etwa in Brasilien kommt. Vor allem zeigt diese Kampagne aber, wie sehr Bayer öffentlich unter Druck steht und dass die bisherigen Nachhaltigkeits-bemühungen des Konzerns nur heiße Luft sind.

So etwa die „Forward Farms“, mit denen Bayer vorgibt, sich mit Maßnahmen wie Blühstreifen und Bienenhotels für die Biodiversität und den Schutz der Bienen einzusetzen. Spezielle Reinigungsverfahren für Sprühfahrzeuge sollen zudem Pestizidrückstände in Gewässern minimieren. Doch ein Blühstreifen zwischen Monokulturen kann das massive Problem der schwindenden Arten- und Sortenvielfalt in der Landwirtschaft nicht lösen, und wer die Umwelt schützen möchte, sollte giftige Pestizide gar nicht erst in Umlauf bringen.

Ein anderes Beispiel ist eins von Bayers Lieblingsthemen – die sogenannte Präzisionslandwirtschaft. Mit Hilfe digitaler Technik soll in Zukunft der Einsatz von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden viel gezielter erfolgen. So können Sensoren an Drohnen oder Landmaschinen in der Theorie genau messen, welche Pflanze wieviel wovon benötigt, und etwa die Pestizide nach Bedarf ausbringen, anstatt den ganzen Acker zu besprühen. Doch weder von Bayer noch von anderen Agrarkonzernen gibt es bisher Zahlen darüber, die die immer wieder genannten Ressourceneinsparungen belegen. Auch die Erzählung eines geringeren Pestizideinsatzes pro Hektar hält Bayer nicht davon ab, seinen Investor*innen die Vorhaben über eine Steigerung des Pestizidverkaufs in Nord- und Lateinamerika vorzulegen.

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Ein weiteres Themenfeld, dem sich Bayer zunehmend widmet, sind Bio-Pestizide, die auf biologischen – statt chemischen – Molekülen basieren, welche aus Bakterien, Hefekulturen, Pilzen oder Pflanzen gewonnen werden. Bayer experimentiert etwa mit RNA-Molekülen und RNAi (RNA-Interferenz, eine Technik der Gen-Stilllegung, auch Gen-Silencing genannt) im Bereich Herbizide, Viruzide und Insektizide. Mit der RNAi-Technik werden in Nordamerika Blattkäfer bekämpft, die Rapspflanzen angreifen.

So hat Bayer in den letzten Jahren durch strategische Übernahmen spezialisierter Unternehmen Expertise in der Forschung, Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Biologika aufgebaut und sieht darin ein großes Marktpotenzial. Doch bis diese Produkte auf den Markt kommen, können noch viele Jahre vergehen. Und ob diese dann die giftigen, chemischen Mittel wirklich ablösen können, ist zu bezweifeln.

Bayers gefährlicher Versuch, den Begriff Agrarökologie umzudeuten
Eins ist bei Bayer jedoch offensichtlich: Seit der Übernahme des berüchtigten Glyphosat-Herstellers Monsanto im vergangenen Jahr ist der Wert der Bayer-Aktie um ein Drittel gefallen, zwischendurch lag er sogar bei wenig mehr als der Hälfte des Wertes zum Zeitpunkt der Übernahme. Bayer steht massiv unter Druck und kann nicht einfach sein „business as usual“ weiterverfolgen. Dass Bayer sich dabei auch in Diskussionen um Agrarökologie einzumischen versucht und etwa an Fachgesprächen mit Vertreter*innen der Bundesregierung teilnimmt, ist jedoch gefährlich. Denn so könnte der Begriff der Agrarökologie im Sinne der Definition von CropLife umgedeutet werden und seinen politischen Kern verlieren.

Jedenfalls sind Bayers technische Ansätze zur Ressourceneinsparung ohne Einbeziehung von bäuerlichem Wissen aus dem globalen Süden nicht mit dem ganzheitlichen Konzept der Agrarökologie, bei dem es auch um die Unabhängigkeit der Erzeuger*innen von der Agrarindustrie geht, zu vereinbaren. Kurz: In der Agrarökologie-Debatte hat Bayer nichts zu suchen!

1Detailliert nachzulesen ist dieser Widerspruch in der vor kurzem von INKOTA und MISEREOR herausgegebenen Broschüre „Advancing Together? Ein Jahr Bayer-Monsanto: Eine kritische Bilanz“ (kostenloser Download unter www.inkota.de/bayer-broschuere).

Zur Autorin

Lena Luig ist Referentin für Landwirtschaft und Welternährung bei INKOTA.

Lena Luig ist Referentin für Landwirtschaft und Welternährung bei INKOTA.

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