Die Landwirtschaft ist einer der wichtigsten Wirtschaftssektoren Mosambiks, rund drei Viertel der Bevölkerung lebt auf dem Land. Allerdings ist die Produktivität der Landwirtschaft nach wie vor sehr niedrig. Zahlreiche Programme, Pläne und Initiativen versuchen seit Jahren, den Landwirtschaftssektor in Mosambik zu entwickeln. Dabei agieren sie jedoch häufig isoliert voneinander und in Form von Pilotprojekten oder Programmen, die danach nicht ausgewertet werden. Über den begrenzten Nutzen dieser Initiativen sowie die fehlende Förderung agrarökologischer Ansätze haben wir mit Luis Muchanga, Geschäftsführer des Bauernverbands UNAC, gesprochen.

Welchen Stellenwert hat die Landwirtschaft für die mosambikanische Regierung?
Die Landwirtschaft ist ein Schlüsselsektor für die ökonomische Entwicklung Mosambiks und trägt rund 25 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Wenn wir jedoch auf den Staatshaushalt schauen, müssen wir feststellen, dass der Sektor unterfinanziert ist. Nur etwa sieben Prozent des Staatshaushalts sind für die Landwirtschaft vorgesehen. Das entspricht weder dem, was nötig ist, noch den Verpflichtungen, welche die mosambikanische Regierung eingegangen ist.

Welche Verpflichtungen denn?
In der Maputo-Deklaration etwa haben die Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union festgelegt, zehn Prozent ihrer Haushaltsmittel in die Landwirtschaft und die ländliche Entwicklung zu investieren. Das ist in Mosambik nicht der Fall.

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Südlink 189 - Agrarökologie
Wege in die Landwirtschaft der Zukunft | September 2019
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Wege in die Landwirtschaft der Zukunft | September 2019
  Klimawandel, ausgelaugte Böden und der grassierende Verlust an Biodiversität – die weitverbreitete Intensivlandwirtschaft ist eine wichtige Ursache all dieser Probleme. Doch es gibt eine Alternative: Agrarökologie. …

Zwar hat die Regierung Institutionen gegründet und Programme beschlossen, um die Landwirtschaft zu unterstützen, aber konkret spüren die meisten Bauern davon nicht sehr viel. Viele Maßnahmen gehen nur sehr begrenzt auf die Bedürfnisse der Landbevölkerung ein. Und was macht die Regierung? Sie setzt vor allem auf eine exportorientierte Landwirtschaft und die Produktion von cash crops wie Eukalyptus, Baumwolle, Tabak oder Sesam. Es gibt einen großen Widerspruch zwischen den Plänen der Regierung und dem, was sie dann umsetzt.

Wie kommt es zu diesem Widerspruch?
In allen Distrikten Mosambiks gibt es Agrarbehörden, die die Bauern und Bäuerinnen unterstützen sollten. Sie sollten gute landwirtschaftliche Praktiken vermitteln und die Landbevölkerung bei ihrer Arbeit unterstützen. Doch es gibt viel zu wenig Personal und viel zu wenig Material, um dieser Aufgabe wirklich nachzukommen. In manchen Distrikten gibt es nur zwei oder drei landwirtschaftliche Berater für tausende Bauern. Das reicht nicht aus, der Bedarf ist viel größer.

Hier zeigt sich, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine große Lücke klafft, die notwendigen Ressourcen sind einfach nicht vorhanden. Auf politischer Diskursebene sind Engagement und Leidenschaft erkennbar, auf der praktischen Ebene jedoch nicht.

Und welche Prioritäten hat die Landbevölkerung?
Andere als die Regierung mit ihrem Strategischen Plan zur landwirtschaftlichen Entwicklung (PEDSA). Die Regierung spricht von großen Flächen ungenutzten Landes, das für den Anbau der cash crops genutzt werden soll, die Landwirtschaftspolitik propagiert ein agroindustrielles Wirtschaftsmodell. Doch sie verfolgt in Teilen eine fiktive Agenda. Die mosambikanischen Bauern haben ganz andere Probleme und Bedürfnisse. Die Menschen sorgen sich darum, wie sie ausreichend Nahrungsmittel anbauen können und wie sie Zugang vor allem zu lokalen Märkten bekommen.

Die Provinzen mit dem größten landwirtschaftlichen Potenzial, wie Nampula und Zambezia, sind zugleich die Regionen mit weit verbreiteter chronischer Unterernährung. Mosambik hat nach wie vor ein Nahrungsmitteldefizit: Wir importieren immer noch Tomaten, Zwiebeln, Reis oder auch Hühnerfleisch. Die Prioritäten der Regierung entsprechen also nicht unbedingt den Herausforderungen des Landes. Die Bauern brauchen praktische Unterstützung. Die wichtigen Themen für sie sind der Zugang zu Bewässerung, eine effektive Schädlingskontrolle, die Minimierung der Ernteverluste, die bisher bei rund 30 Prozent liegen, der Zugang zu lokalem Saatgut und anderen Inputs sowie der Zugang zu Krediten und Absatzmärkten unter fairen Bedingungen. Diesen Sorgen begegnet die Regierung jedoch nur unzureichend.

Eine Herausforderung für die Steigerung der Produktion und auch der Produktivität ist die geringe Größe der Flächen, die die Bauern bebauen, und der geringe Einsatz von landwirtschaftlichen Inputs. Wie begegnet die Agrarpolitik diesen Herausforderungen?  
Die durchschnittliche landwirtschaftliche Betriebsgröße in Mosambik liegt bei ein bis zwei Hektar. Die Menschen, die trotz dieser Beschränkungen Landwirtschaft betreiben, sind die wahren Helden Mosambiks! UNAC unterstützt die Bauern bei der Diversifizierung ihres Anbaus, bei der Auswahl und dem Nachbau von lokalem Saatgut und bei der Anwendung von agrarökologischen Methoden, um die Produktivität zu erhöhen.

Die Aufgabe der Regierung wäre es, die nötigen Bedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen ihre Flächen ausweiten können und Zugang zu Inputs erhalten. Nur mit Sensen und Kurzhacken ist es schwierig, die Anbauflächen zu vergrößern. Schon ein von Tieren gezogener Pflug oder eine Motorpflug würde Abhilfe schaffen. Aber ohne landwirtschaftliche Kredite ist selbst eine einfache Mechanisierung nicht möglich.

Die Entwicklung der Landwirtschaft setzt eine integrierte Gesamtstrategie voraus: Man kann den Agrarsektor nicht entwickeln, ohne zum Beispiel die Bereiche Infrastruktur, Industrie und Banken mitzudenken und in einer koordinierten ländlichen Entwicklungsstrategie zu vereinen. Solange das nicht geschieht, werden wir die Probleme der Bauern nicht lösen.

Die Landwirtschaft ist nicht einfach ein weiterer Wirtschaftssektor. Wir haben zwar entsprechende Strategien – PEDSA ist eine davon –, aber die Ressourcen zur Umsetzung der Pläne und Strategien sind nicht vorhanden.

Dokumentarfilm aus Mosambik

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Bauernkampf - Saatgut zu bewahren bedeutet, die Menschheit zu retten

Der Bauernverband UNAC hat im Juli 2019 einen Dokumentarfilm zum Thema lokales Saatgut gedreht. In dem knapp halbstündigen Film kommen Bauern und Bäuerinnen aus Mosambik zu Wort und schildern, welche Bedeutung das lokale, traditionelle Saatgut für sie hat und welche Vorteile für sie damit verbunden sind. Denn Saatgut zu bewahren bedeutet, die Menschheit zu retten. 

Im Rahmen von verschiedenen Programmen und Projekten, die teilwiese von der UN-Ernährungsorganisation FAO oder der Weltbank finanziert werden, versucht die mosambikanische Regierung, Bauern und Bäuerinnen beim Zugang zu Inputs zu unterstützen und damit die Produktion und die Produktivität zu steigern. Welchen Effekt haben derartige Initiativen?
In Mosambik gibt es zahlreiche Programme mit unterschiedlichen Schwerpunkten und in unterschiedlichen Regionen – zum Thema Bewässerung, zum Thema Wertschöpfungsketten etc. Oftmals fehlt aber die Kommunikation zwischen den einzelnen Programmen, sie funktionieren unabhängig und isoliert voneinander.

Ein aktuelles Beispiel für ein solches Programm ist Sustenta. Sustenta wird hauptsächlich von der Weltbank finanziert und soll einige sogenannte emerging farmers entlang des Nacala-Entwicklungskorridors bei der Integration in Wertschöpfungsketten für beispielsweise Mais, Soja, Sesam oder Cashewnüsse unterstützen. Wer teilnimmt, sollte über eine Anbaufläche von mindestens drei Hektar verfügen und muss in der Lage sein, eine finanzielle Eigenbeteiligung zu leisten.

Dafür gibt es dann Saatgut, Pestizide und Düngemittel, einige erhalten auch Arbeitsgeräte wie Traktoren oder Wasserpumpen. Indem der emerging farmer als eine Art Zwischenhändler für die Bauern und Bäuerinnen in seinem Umfeld agiert, sollen auch die Subsistenzbauern von dem Programm profitieren. Er soll ihnen Inputs oder auch Arbeitsgeräte zur Verfügung stellen und erhält die Bezahlung dafür nach der Ernte, entweder in Form eines Teils der Ernte oder als Geldbetrag. Das Ganze läuft also auf eine Form von Vertragslandwirtschaft hinaus.

Der Erfolg eines solchen Modells hängt stark von der einzelnen Person ab, von dem ermerging farmer. Der hat aber nicht unbedingt das Wohl der Gemeinschaft im Auge. Daher wäre es unserer Ansicht nach sinnvoll, das Programm so umzustrukturieren, dass auch Genossenschaften oder Bauernvereinigungen davon profitieren können. Das würde die Abhängigkeit der Bauern von Einzelpersonen verringern.

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Ein anderes Beispiel für ein Subventionsprogramm ist das System der „E-Voucher“, elektronischer Gutscheine für Bauern und Bäuerinnen. Dieses System wurde 2015 in der zentralmosambikanischen Provinz Manica eingeführt und wird hauptsächlich von der FAO finanziert. Auch dieses Programm hat also keinen nationalen Fokus, aber zumindest haben auch einige Subsistenzbauern Zugang, nicht nur emerging farmers. Bauern und Bäuerinnen erhalten eine Karte mit einem elektronischen Guthaben und können bei teilnehmenden Händlern subventioniertes Saatgut, Pestizide und Düngemittel erwerben.

Und wie steht es um die Farmer Field Schools der FAO?
Das ist ein Ansatz, der sich tatsächlich bewährt hat. Landwirtschaftstechniker der FAO beraten Bauerngruppen auf einem Demonstrationsfeld, wo sie neue Anbaumethoden und Technologien testen, Erfahrungen austauschen und voneinander lernen. Auch agrarökologische Methoden werden vermittelt.

Allerdings ist auch dieser Ansatz nicht immer nachhaltig. Die Farmer Field Schools funktionieren dort sehr gut, wo bereits Bauerngruppen in Form von Vereinen oder Genossenschaften bestehen. Wo das nicht der Fall ist, löst sich der Verbund wieder auf, sobald die Unterstützung durch den landwirtschaftlichen Techniker endet.

Eine Begleitung oder Evaluierung all dieser Programme fehlt. Oftmals enden sie, ohne die Erfahrungen auszuwerten oder mit anderen zu teilen. So bleibt unklar, welche Ansätze sich bewährt haben und welche nicht – und warum.

Im März und April haben zwei Unwetterkatastrophen schwere Schäden angerichtet und einen Teil der Ernte vernichtet. Wie geht es den Bauern und Bäuerinnen jetzt? Wie ist die Ernährungssituation in den betroffenen Gebieten?
Im Rahmen der Nothilfe wurden den betroffenen Menschen Lebensmittel zur Verfügung gestellt. Damit konnte eine akute Hungernot in den Katastrophengebieten verhindert werden. Allerdings ist die Phase der Nothilfe nun zu Ende, jetzt kommt es auf die nächste Ernte an. Im Oktober wird wieder Getreide ausgesät. Die Beschaffenheit der Böden bereitet uns jedoch große Sorgen. Viele Felder wurden überschwemmt, fruchtbare Bodenschichten fortgespült. Auch droht ein starker Schädlingsbefall in den Überschwemmungsgebieten. Wir werden sehen, wie sich das alles auf den Anbau auswirkt. Aber die Bauern blicken jetzt nach vorne. Wie gesagt – sie sind die wahren Helden Mosambiks!

Zum Autor

Luis Muchanga ist Geschäftsführer des Nationalen Bauernverbands (UNAC) in Mosambik.

Das Interview führte Christine Wiid im August 2019.

Luis Muchanga ist Geschäftsführer des Nationalen Bauernverbands (UNAC) in Mosambik.

Das Interview führte Christine Wiid im August 2019.

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