Projekte & Länder

Vietnam: Landkonflikte allgegenwärtig

Land ist in Vietnam knapp und wird dadurch zu einer wertvollen Ressource, die nicht selten Ursache für Konflikte ist.

von Sarah Grieß
Veröffentlicht 11. DEZEMBER 2020

Land in Vietnam ist knapp: Ein stetiges Bevölkerungswachstum sowie die rasche Industrialisierung und wirtschaftliche Entwicklung des Landes üben einen hohen Druck auf die natürlichen Ressourcen aus. Land wird dadurch immer wertvoller und ist nicht selten Ursache für Konflikte.

In Vietnam werden Ländereien vom Staat verwaltet. Einzelpersonen können Nutzungsrechte vom Staat erwerben. Bei der Vergabe macht der Staat allerdings zum einen Vorgaben über die Dauer der Nutzung des Landes, die in der Regel zunächst für 20 bis 50 Jahren vergeben werden. Zum anderen wird festgelegt, wofür das Land genutzt werden kann, zum Beispiel als Wohn-, Industrie- oder landwirtschaftliche Produktionsfläche. Darüber hinaus macht der Staat auch Angaben darüber, was auf den landwirtschaftlichen Flächen kultiviert werden darf - nämlich Reis oder mehrjährige Feldfrüchte. Eine bedarfsorientierte Landwirtschaft, die flexibel auf klimatische Ereignisse oder die besonderen Lebensumstände der Menschen Rücksicht nimmt, ist besonders durch diese Vorgabe schwierig.

Enteignungen und unzureichende Entschädigungen

Anders als in Mosambik können die Landnutzungsrechte zwar unter den Inhaber*innen ganz oder auch nur teilweise getauscht, verliehen und vererbt, also auf andere Personen übertragen werden. Der Staat behält sich allerdings das Recht vor, die Nutzungsrechte zu ändern oder sogar zu entziehen. Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung und Urbanisierung wurden so riesige Agrarflächen in städtische, industrielle oder touristische „Entwicklungszonen“ umgewandelt. Wo sich früher kilometerlange Reisfelder erstreckten, findet man heute Wasserkraftwerke, Industrieparks oder moderne Wohnkomplexe. Dafür schreckt die Regierung auch vor Enteignungen und Zwangsumsiedlungen nicht zurück. Für die hiervon betroffenen Kleinbauernfamilien ist das eine existenzielle Bedrohung, da sie ihrer Lebensgrundlage beraubt werden. Zwar stehen ihnen in einem solchen Fall grundsätzlich Entschädigungszahlungen zu. Diese sind aber meist viel zu gering, um den Verlust des Ackerlandes auszugleichen und den Menschen eine neue Perspektive zu ermöglichen.

Landrechte: Ohne Land kein Leben

Fehlendes Wissen und Beratung

Besonders hart trifft diese Politik die vielen ethnischen Minderheiten im ländlichen Raum, die ihren Lebensunterhalt fast ausschließlich mit der Land- und Forstwirtschaft bestreiten. Sie sind übermäßig stark von Zwangsumsiedlung und daraus folgender Landknappheit betroffen. Im Distrikt Tuong Duong der Provinz Nghe An wo sich die Bevölkerung allem aus den vier ethnischen Minderheiten Thai, Hmong, Kho Mu and Tho zusammensetzt, zeigt sich die Misere besonders deutlich: Mehr als 50 Prozent der Kleinbäuer*innen haben nicht genug Land, um ausreichend Nahrung für sich und ihre Familien anzubauen. Jede*r sechste Kleinbäuer*in hat sogar überhaupt kein Land mehr. Was darüber hinaus fehlt, ist der Zugang zu Unterstützungsleistungen. Während in den Provinzhauptstädten Rechtshilfezentren existieren, die im Falle von Enteignungen, Vertreibungen oder anderen Landkonflikten grundlegende Informationen und Beratungsleistungen anbieten sollen, sucht man einen solchen Service in ländlichen Regionen vergeblich. Außerdem fehlt es den Angestellten solcher Zentren häufig an einer fachlichen Ausbildung und ausreichenden Ressourcen.

Für Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören, stellt sich die Landfrage in einer zugespitzten Form dar: In den Landnutzungszertifikaten sind oftmals nur ihre Männer vermerkt, sie hingegen nicht. So können sie im Falle einer Scheidung oder wenn ihr Mann stirbt, ihren Anspruch auf das Land nicht geltend machen. Im schlimmsten Fall stehen sie plötzlich ohne alles da. Dabei wäre es rechtlich möglich, auch die Frau im Landtitel vermerken zu lassen. Doch mangels angemessener Informations- und Beratungsarbeit wissen die meisten nichts von ihren Rechten.

Zugang zu Land für ethnische Minderheiten und Frauen sichern

Landkonflikte machen etwa 70 Prozent aller zivilen Konflikte in Vietnam aus, was jährlich etwa 120.000 vor einem Gericht verhandelten Fällen entspricht. Aufgrund der hohen Relevanz des Themas arbeitet die INKOTA-Partnerorganisation CISDOMA bereits seit über 12 Jahren zu Landrechten. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, den Zugang zu Land für ethnische Minderheiten und insbesondere für die Frauen unter ihnen zu erleichtern. Hierzu arbeitet CISDOMA zum einen mit den bereits existierenden Rechtshilfezentren auf Provinzebene zusammen und unterstützt die Mitarbeitenden darin ihre Beratungsleistungen zu verbessern. Neben fachlichen Weiterbildungen zum Thema Land- und Frauenrechten geht es hierbei auch darum, die Beratungsleistung auf die Anliegen der Hilfesuchenden zu fokussieren.

Zum anderen bildet CISDOMA in jeder Projektgemeinde eigene Rechtshilfeassistent*innen aus, um die Unterstützungsangebote in Landrechtsfragen auf kommunaler Ebene auszuweiten und für jede*n zugänglich zu machen. Im Rahmen flächendeckender Informations- und Beratungsangebote werden Bäuerinnen und Bauern außerdem über das geltende Landrecht aufgeklärt. Dazu zählt, dass sie wissen, an wen sie sich im Konfliktfall wenden können - um Hilfe zu erhalten, Streitigkeiten zu schlichten, oder auch „nur“, um auf ihrem Reisfeld endlich etwas anderes anbauen zu dürfen.

Ohne Land kein Leben!

Stellen Sie sich doch mal vor, morgen klopft jemand an Ihre Tür und sagt: „Sie müssen jetzt raus aus Ihrer Wohnung!“ Und dieser jemand ist der Staat, der Sie einfach enteignet – von einem Tag auf den anderen. Oder Investoren, weil sie gute Geschäfte mit Ihrer Wohnung machen können.

Was für Sie undenkbar scheinen mag, ist für viele Kleinbauernfamilien im globalen Süden eine reale Gefahr. Ob in Mosambik, Vietnam oder Zentralamerika: Unsere Partnerorganisationen im globalen Süden unterstützen Kleinbauernfamilien seit vielen Jahren. Sie helfen ihnen dabei, ihr Land zu verteidigen.

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