Südlink-Magazin

Zu gefährlich für Mensch und Natur

Integrierte Schädlingsbekämpfung könnte im Kakaoanbau eine Alternative zu giftigen Pestiziden sein

von Baumert und Owusu-Achiaw
Veröffentlicht 21. SEPTEMBER 2020

Gefährliche Pestizide sind aus Ghanas Kakaoanbau kaum wegzudenken. Einige dieser Pestizide, die zumeist aus Europa importiert werden, dürfen dort längst nicht mehr verwendet werden. Dabei gibt es umweltfreundliche Methoden der Schädlingsbekämpfung. Diese  bieten immense langfristige Vorteile. Noch aber werden sie kaum angewandt.

Bis zu 40 Prozent der globalen Kakaoernte fallen jährlich Schädlingsbefall zum Opfer. Verfaulende Bohnen, vertrocknende Bäume und Maden bereiten den Kakaobäuerinnen und -bauern weltweit Kopfzerbrechen. Auch wenn es Alternativen gibt, stehen synthetische Pestizide bei ihnen hoch im Kurs. So auch in Ghana.

Seit 2001 subventioniert der ghanaische Staat den flächendeckenden Einsatz von Pestiziden. Viele der hierbei zur Anwendung kommenden Pestizide sind in Europa mittlerweile verboten oder nur noch in Gewächshäusern erlaubt. Sie töten nämlich nicht nur Schädlinge, sondern auch wichtige Blütenbestäuber. Langfristig scheint so das Produktivitätsversprechen in Gefahr.

Südlink 193 - Gefährliche Pestizide
Für eine Landwirtschaft ohne Agrargifte
Südlink 193 - Gefährliche Pestizide
Für eine Landwirtschaft ohne Agrargifte
Millionen Menschen erleiden jedes Jahr eine Pestizidvergiftung. Und doch weigern sich Agrarkonzerne, die Herstellung hochgefährlicher Agrargifte einzustellen. Manche sind krebserregend, andere schädigen das Erbgut oder sind eine Gefahr für das Kind im Mutterleib. Und viele sind eine…

Ghana, einst der weltweit größte Produzent von Kakaobohnen, verlor in den 70er Jahren diese Position an seinen Nachbarn die Côte d’Ivoire. Auch aufgrund von Insekten- und Pilzbefall. Das staatliche Cocoa Disease and Pest Control Programme hat nicht nur zu stetigen Erntesteigerungen der letzten zwanzig Jahren geführt sondern auch die großflächige Anwendung von chemischen Pestiziden enorm gefördert. Ungefähr 85 Prozent der ghanaischen Kakaobäuerinnen und -bauern halten Pestizide für die effektivste Methode zur Sicherung ihrer Ernte vor Schädlingsbefall.

Sie nehmen hierfür auch Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit in Kauf. Übelkeit, Schwindel und Juckreiz sind häufig auftretende Symptome, die aus dem Gebrauch der Pestizide resultieren. Ob beim Anmischen, bei der Entsorgung leerer Behälter, bei der Lagerung oder bei der Ausbringung selbst, Sicherheitsanweisungen sind nur schwer einzuhalten.

Auch Kinder sind den hochgefährlichen Pestiziden immer ausgesetzt. So fand eine Studie des US-Arbeitsministeriums heraus, dass ein Viertel der verbotenerweise im Kakaoanbau arbeitenden Kinder in Kontakt mit Pestiziden kommt. Die Langzeitfolgen für die Umwelt und Gesundheit sind kaum abschätzbar. 

Kritische Stimmen sind noch rar

Von wenigen Umweltschützer*innen abgesehen wird die flächendeckende Pestizidanwendung in Ghana weithin akzeptiert. Ertragssteigerung steht für viele im Vordergrund. Zunehmend wird aber die entstehende Abhängigkeit zum Thema gemacht. Keines der zur Anwendung kommenden Pestizide wird in Ghana selbst hergestellt, weshalb es zu großen Preisschwankungen kommt, die auf den internationalen Pestizidmärkten entstehen. Darüber hinaus beginnen Gesundheitsexperten die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit – insbesondere für Schwangere und Neugeborene – öffentlich zu thematisieren.

Gefragt nach Alternativen überraschen mehr als die Hälfte der Kakaobäuerinnen und -bauern mit fundiertem Wissen zu biologischer Landwirtschaft und integrierter Schädlingsbekämpfung. Letztere ist ein ganzheitlicher Ansatz, der im Kakaoanbau sich eine gute Luftzirkulation, Vermeidung von Staunässe, ausreichende Lichtdurchlässigkeit und eine regelmäßige Ernte zu Nutze macht. Gezielter Baumschnitt fördert die Widerstandsfähigkeit. So wird das Mikroklima innerhalb der Kakaoplantage maßgeblich beeinflusst. Ein umfassendes Konzept der integrierten Schädlingsbekämpfung beinhaltet auch das Züchten widerstandsfähiger Sorten und die Verwendung von Biopestiziden.

Doch nur eine absolute Minderheit wendet sie an. Die Umstellung birgt für viele Familien nicht kalkulierbare Risiken, erfordert wesentlich mehr Arbeitseinsatz und verlangt nach häufig auf lokalen Märkten nicht verfügbaren Biopestiziden. All dies ist allerdings eine Folge fehlender öffentlicher und privater Unterstützung. Während chemische Pestizide hochsubventioniert, von Entwicklungsorganisationen gefördert und fester Bestandteil privater Nachhaltigkeitsinitiativen sind, fristen alternative Methoden ein Nischendasein.

Das muss sich ändern. Angefangen mit der Kakaopolitik vor Ort. Die Förderung chemischer Pestizide durch den Staat macht den Wechsel zu alternativen Schädlingsbekämpfungsmethoden fast unmöglich. Es fehlt an Anreizen, in neue, umweltverträgliche Methoden zu investieren. Auch die sogenannten Nachhaltigkeitsinitiativen der großen internationalen Kakao- und Schokoladenunternehmen müssen integrierte Schädlingsbekämpfung in ihre Trainingsprogramme mit aufnehmen. Denn auch sie tragen eine Verantwortung für die Umweltschäden und die gesundheitlichen Folgen der von ihnen bereitgestellten Pestizide.

Anreize zum Wechsel von synthetischen Pestiziden zu integrierter Schädlingsbekämpfung könnten auch die Zertifizierungen schaffen. Die Listen der verbotenen Substanzen müssen an die Liste der hochgefährlichen Pestizide des Pestizid Aktions-Netzwerks angepasst werden und die Einhaltung regelmäßig überprüft werden. Als letztes müssen die Doppelstandards beseitigt werden, um zumindest die gefährlichsten Pestizide aus dem Verkehr zu ziehen. So kann ein schrittweiser Umstieg von synthetischen Pestiziden zu integrierter Schädlingsbekämpfung gelingen.  

Daniel Baumert arbeitet bei INKOTA als Referent an der Schnittstelle von Wirtschaft und Menschenrechten im Kakaosektor.
Raymond Owusu-Achiaw ist Experte für integrierte Schädlingsbekämpfung und Pestizide bei Conservation Alliance International in Ghana.

Daniel Baumert arbeitet bei INKOTA als Referent an der Schnittstelle von Wirtschaft und Menschenrechten im Kakaosektor.
Raymond Owusu-Achiaw ist Experte für integrierte Schädlingsbekämpfung und Pestizide bei Conservation Alliance International in Ghana.

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Gefährliche Pestizide

Die staatliche ghanaische Regulierungsbehörde COCOBOD veröffentlicht regelmäßig eine aktualisierte Liste der für den Kakaoanbau zugelassenen Wirkstoffe. Erst nach und nach wurden besonders giftige Wirkstoffe, wie DDT oder Lindan, entfernt. Neue Erkenntnisse in Bezug auf Umweltauswirkungen und Folgen für die menschliche Gesundheit hatten zu einem globalen Verbot geführt. Doch obwohl DDT bereits 2002 und Lindan 2007 in Ghana verboten wurden, finden sich die Rückstände der Giftstoffe bis heute. Glyphosat oder Neonikotinoide, die in Europa hoch umstritten beziehungsweise verboten sind, werden allerdings immer noch für die Anwendung im Kakaoanbau empfohlen. Auch schon längst verbotene Wirkstoffe kommen weiterhin zum Einsatz – mit enormen Risiken für alle, die im Kakaoanbau tätig sind.

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