Glasschwamm in einem Manganknollenfeld der Clarion-Clipperton-Zone. | Geomar Bilddatenbank (CCBY4.0)
Südlink-Magazin

Heikle Rohstoffjagd am Meeresboden

Der Ruf nach einem Verbot des Tiefseebergbaus in internationalen Gewässern wird lauter.

von Maureen Penjueli
Veröffentlicht 9. DEZEMBER 2022

Der Wettlauf um die Ressourcen auf dem Meeresboden ist in vollem Gange. Rohstoffkonzerne erhoffen sich Zugriff auf zahlreiche Metalle. Kritiker*innen hingegen befürchten unkalkulierbare Risiken für die Ökosysteme und die Menschen in der Pazifikregion. Zivilgesellschaftliche Gruppen begrüßen die zunehmenden Forderungen nach einem Verbot des Tiefseebergbaus.

Der französische Präsident Emmanuel Macron positionierte sich erneut deutlich: Er unterstütze ein Verbot des Tiefseebergbaus, erklärte er auf der UN-Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm el-Scheich (COP27) im November. Im Juni dieses Jahres hatte er auf der UN-Ozeankonferenz in Lissabon bereits Gesetze gegen die Rohstoffjagd in der Tiefe gefordert.
Frankreichs Haltung folgt auf die Forderung einer vorsorglichen Pause beim Tiefseebergbau, die Deutschland im April auf der Ratstagung der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) erhoben hat. Die ISA ist das für Tiefseebergbau zuständige UN-Gremium im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (UNCLOS). Und Neuseeland kündigte jüngst an, ein vorläufiges Moratorium für Tiefseebergbau in internationalen Gewässern zu fordern. Die Forderungen Frankreichs, Deutschlands und Neuseelands reihen sich in die Positionierungen einer wachsenden Zahl von Staaten ein, die Vorsorgemaßnahmen für Tiefseebergbau verlangen. Dazu gehören Fidschi, Vanuatu, Papua-Neuguinea, Samoa, Französisch-Polynesien, Tuvalu, Mikronesien und Palau.

Die Bestrebungen kommen zur rechten Zeit. Denn die ISA hat bisher keine international vereinbarten Regeln und Vorschriften für die Ausbeutung des Meeresbodens in internationalen Gewässern aufgestellt. Diese unterliegen keinerlei nationaler Rechtsprechung, sondern werden durch das Seevölkerrecht reguliert. Ihren Sitz hat die Meeresbodenbehörde in der jamaikanischen Hauptstadt Kingston. Sie ist gleichzeitig für die Vergabe von Erkundungs- sowie Abbaulizenzen als auch den Schutz der Rohstoffvorkommen zuständig. Bis heute wurde allerdings noch keine Abbaulizenz vergeben. Staaten und Unternehmen beantragen zunächst Erkundungslizenzen um herauszufinden, ob sich der Abbau in dem jeweiligen Gebiet lohnen würde. Das UN-Seerechtsübereinkommen definiert den Meeresboden und die in der Tiefsee enthaltenen Ressourcen als gemeinsames Erbe der Menschheit.

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Zivilgesellschaftliche Gruppen aus der Pazifikregion, soziale Bewegungen und Kirchen haben sich seit 2012 entschieden für ein weltweites Verbot des Tiefseebergbaus eingesetzt. Sie unterstützen die jüngsten Ankündigungen und politischen Positionen, die von einer Pause, einem Stopp, einem Moratorium bis hin zu einem Verbot durch die Vertragsparteien der ISA reichen.

Die Vorfahren nutzen seit Jahrtausenden das Meer

Der Tiefseebergbau ist die jüngste in einer langen Reihe von zerstörerischen Industrien, die in unsere Ozeane vordringen. Es handelt sich um eine neue Gefahr, die fälschlicherweise als Antwort auf unsere wirtschaftlichen Bedürfnisse angepriesen wird. Auf dem Meeresboden lagern Unmengen von Metallen wie Kupfer, Kobalt, Gold oder Seltene Erden. Im Fokus steht vor allem die so genannte Clarion-Clipperton-Zone zwischen Mexiko und Hawaii, wo in Manganknollen viele Milliarden Tonnen an Rohstoffen vermutet werden. Befürworter*innen des Tiefseebergbaus wie die Rohstoffkonzerne argumentieren, dadurch die notwendige Versorgung mit Rohstoffen für Zukunftstechnologien und die Energiewende über einen längeren Zeitraum sicherstellen zu können. Zudem sei der Tiefseebergbau weniger umweltschädlich als an Land. Doch während die versprochenen Vorteile spekulativ bleiben, erweist sich Tiefseebergbau selbst im Versuchsstadium bereits als schädlich für pazifische Gemeinschaften, unsere Lebensgrundlagen, kulturelle Praktiken und unser Wohlergehen. Er würde teils unbekannte Ökosysteme zerstören, über die kaum etwas bekannt ist. Die Folgen wären demnach unkalkulierbar. Wissenschaftler*innen argumentieren, dass Tiefseebergbau zu irreversiblen Schäden und zur Zerstörung der biologischen Vielfalt führen wird. Zudem könne er die wirtschaftliche Existenz der Länder aufs Spiel setzen, die stark von der Fischerei abhängen. Lärm und Lichtverschmutzung würden die Lebewesen in der Tiefsee beeinträchtigen. Um die Manganknollen zu „ernten“, müsste der Meeresboden großflächig umgegraben werden. Es bestünde die Gefahr, dass durch Abraumwässer riesige Schmutzwolken aus Sedimenten entstehen, die sich jahrelang im Ozean halten könnten.
Zum jetzigen Zeitpunkt sollte die Internationale Meeresbodenbehörde keine Lizenzen erteilen. Die Priorität sollte stattdessen darin liegen, die anderen Mandate der ISA zu stärken: Die Grundsätze der Generationengerechtigkeit zu bewahren, zu schützen und sicherzustellen, um dem gemeinsamen Erbe der Menschheit keinen Schaden zuzufügen.

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Der Ozean ist das lebende blaue Herz unseres Planeten. Er ist unser gemeinsames Erbe, aber auch unsere gemeinsame Verantwortung. Im Pazifik sind die ersten Projekte des experimentellen Tiefseebergbaus geplant, und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone einzelner Länder. Um ihrer Verantwortung als Wächter nachzukommen, haben sich pazifische Gruppen mobilisiert, um diese Ausbeutung zu stoppen, bevor sie beginnt. Seit Jahrtausenden haben unsere Vorfahren diese Aufgabe übernommen und die Weisheit ihres Ressourcenmanagements und ihrer Naturschutzpraktiken in ihrer Kultur und Tradition verankert. Ihre Vision ging stets über ihre vorübergehenden Bedürfnisse hinaus. Das Überleben und Wohlergehen künftiger Generationen stand im Mittelpunkt ihres Weltbildes.

Als Hüter*innen sind wir verantwortlich, den Ozean vor seiner heutigen Ausbeutung und Zerstörung zu schützen. Wir haben eine moralische Verpflichtung und ein langjähriges Erbe, das es zu bewahren gilt. Unsere Vorfahr*innen haben sich entschlossen gegen die zerstörerischen Eingriffe von Atomtests, Treibnetz- und Grundschleppnetzfischerei sowie Meeresverschmutzung gewehrt. Gegen alle Widerstände haben sie die Welt dazu gebracht, einen Vertrag über das Verbot von Atomtests, ein Verbot der Treibnetzfischerei und die Londoner Konvention über die Verhütung von Meeresverschmutzung zu verabschieden. Das Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Gesundheit unserer Ozeane wird weltweit immer stärker.
Nauru macht Druck und will mit der Förderung beginnen
Zivilgesellschaftliche Gruppen wie das Netzwerk Pacific Blue Line (PBL) argumentieren, dass die Meeresbodenbehörde gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen würde, wenn sie Tiefseebergbau zulässt, obwohl die internationale Gemeinschaft dafür noch keine Regeln und Vorschriften vereinbart hat. Die Technik zur Förderung in der Tiefsee ist noch nicht weit genug entwickelt, macht aber große Fortschritte. Zudem weist PBL die Argumentation des Inselstaates Nauru zurück. Dieser hat angekündigt, in der Clarion-Clipperton-Zone mit der Förderung von Rohstoffen zu beginnen, sollte sich die ISA nicht bis Juni 2023 auf Regeln verständigen. Das Unternehmen Nauru Ocean Recources, das eine Tochterfirma des kanadischen Bergbaukonzerns The Metals Company (TMC) ist, könne demnach dort bald Rohstoffe abbauen. Ohne die Zustimmung eines ISA-Mitgliedsstaates kann kein Unternehmen in der Tiefsee tätig werden. Auch europäische Länder wie Deutschland und Frankreich haben für bestimmte Gebiete Erkundungslizenzen erhalten, wenngleich sie sich gegenüber dem Tiefseebergbau nun kritisch zeigen.

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Mitte April zog Tuvalu als eines der ersten Länder der Welt seine Unterstützung für den Tiefseebergbau mit der Begründung zurück, dass es schwerwiegende Bedenken wegen der möglichen Umweltauswirkungen gebe. Zuvor hatte der Inselstaat für die Bergbaufirma Circular Metals Ltd. bei der ISA eine Explorationslizenz erreichen wollen. Die ozeanischen Kleinstaaten spielen eine besondere Rolle im Tiefseebergbau, da sich bereits innerhalb ihrer „ausschließlichen Meereszonen“ zahlreiche Rohstoffe befinden.
Die Forderungen nach einem Stopp kommen zu einem für den Planeten kritischen Zeitpunkt. Der Zustand unserer Ozeane verschlechtert sich aufgrund menschlicher Aktivitäten stetig. Es ist daher notwendig, sie zu schützen und zu erhalten sowie das Überleben unseres Planeten zu sichern, insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimanotstand. Die Ozeane sind auch heute noch eine der stabilsten Kohlenstoffsenken, während die Wälder aufgrund menschlicher Aktivitäten immer mehr beeinträchtigt werden. Der Tiefseebergbau stellt eine erhebliche Bedrohung für die Kohlenstoffsenken der Welt dar. Es könnte Methan am Meeresboden freigesetzt werden, das als Treibhausgas schädlicher als Kohlendioxid ist.
Die Internationale Meeresbodenbehörde steht nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen in der Verantwortung, das gemeinsame Erbe der Menschheit zu schützen. Dabei muss sie auch die derzeitige Klimakatastrophe berücksichtigen. Tiefseebergbau würde die Probleme und Risiken nur weiter verschlimmern.

 

Aus dem Englischen von Tobias Lambert

Maureen Penjueli ist Koordinatorin des Pacific Network on Globalisation (PANG) mit Sitz in Fidschi.

Maureen Penjueli ist Koordinatorin des Pacific Network on Globalisation (PANG) mit Sitz in Fidschi.

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