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Kurzstellungnahme zum Vorschlag eines Lieferketten­registergesetzes

Zusammen mit Germanwatch und Greenpeace kommentiert und kritisiert INKOTA die diskutierten Pläne für ein Lieferkettenregistergesetz.

von Johannes Schorling
Veröffentlicht 20. JANUARY 2021

Kurzstellungnahme von Germanwatch, Greenpeace und INKOTA, veröffentlicht am 15. Januar 2021

Seit Monaten wird in Deutschland intensiv und kontrovers über ein Lieferkettengesetz diskutiert. Seit kurzem ist ein neuer Vorschlag in der Debatte – ein Gesetz über ein Lieferkettenregister.1 Erarbeitet und vorangetrieben wird dieser Vorschlag vom CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann, der dazu im Dezember 2020 auch eine nicht-öffentliche Anhörung zum Lieferkettenregister abhielt. Neben Einzelunternehmen und Wirtschaftsverbänden waren auch Nichtregierungsorganisationen wie Germanwatch, Greenpeace und INKOTA eingeladen, um den Vorschlag eines Lieferkettenregistergesetzes zu kommentieren.

Nachdem die Debatte zum Lieferkettenregister nun öffentlich geführt wird und dieser Vorschlag auch dem EU-Justizkommissar Reynders unterbreitet wurde, legen Germanwatch, Greenpeace und INKOTA hiermit ihre zentralen Kritikpunkte am Lieferkettenregister auch noch einmal öffentlich dar und machen damit deutlich, dass sie den Vorstoß zu einem Registergesetz weder zielführend finden noch ihn unterstützen:

1. Der Vorschlag eines Lieferkettenregisters beinhaltet einen gänzlich anderen Ansatz als den, der seit Jahren im Zuge der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte entwickelt wurde und zu dem sich Deutschland verpflichtet hat und auf dem auch der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung basiert. Denn nach den UN-Leitprinzipien kann ein Unternehmen die Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte nicht einfach auslagern, vielmehr sollen die Unternehmen selbst Sorgfaltsprozesse implementieren. Eine wachsende Anzahl von Unternehmen tut das bereits und spricht sich gleichzeitig für ein Lieferkettengesetz aus.2

2. Der vorgeschlagene Ansatz setzt ausschließlich auf Zertifizierungen, die sich jedoch in der Praxis oft als nicht wirksam erwiesen haben, um Menschenrechte und Umweltstandards in globalen Lieferketten durchzusetzen. So waren beispielsweise der gebrochene Damm von Brumadinho (Brasilien) als auch die eingestürzte Textilfabrik von Rana Plaza (Bangladesch) TÜV-zertifiziert. Zahlreiche Studien zeigen die Schwachstellen von Audits und Zertifizierungen auf (z.B. „Fig leafs for fashion“)3. Deshalb ist ein alleiniger Fokus auf Zertifizierungen weder ausreichend noch zielführend.

3. Mit dem vorgeschlagenen Ansatz werden die Verantwortung und die ggf. damit verbundenen Kosten hauptsächlich auf die Zulieferer ausgelagert. Dies ist aus entwicklungspolitischer Perspektive sehr bedenklich.

4. Um das angedachte Lieferkettenregister aufzubauen, müssten laut Vorschlag das Entwicklungsministerium und die Außenhandelskammern zunächst einen enormen Bürokratieaufwand betreiben und würden damit zudem ein voraussichtlich recht starres und kostspieliges Konstrukt schaffen.

5. Der Vorschlag sieht keine Möglichkeit für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen vor, Entschädigung einzuklagen. Die Erfahrungen aus anderen europäischen Staaten zeigen, dass durch eine zivilrechtliche Haftung einerseits Unternehmen keine Klagewelle droht, sie andererseits aber Sorgfaltsprozesse effektiver implementieren und sich die Rechtssicherheit für Unternehmen erhöht.4

Aufgrund der genannten Kritikpunkte am Lieferkettenregister halten wir diesen Vorschlag nicht für eine Alternative zu einer wirksamen gesetzlichen Regulierung menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfaltspflichten von Unternehmen. Vielmehr drängen Germanwatch, Greenpeace und INKOTA gemeinsam mit mehr als 120 Organisationen der Initiative Lieferkettengesetz darauf, dass Deutschland zügig ein wirksames Lieferkettengesetz verabschiedet und damit einen wichtigen Impuls für eine wirksame EU-weite Regelung setzt.

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Kontakte:

1 https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/menschenrechte-cdu-politiker-fordern-digitales-lieferkettenregister-fuer-den-eu-binnenmarkt/26777122.html?ticket=ST-4225243-wcHswZUBt6kReEF4fYh7-ap1; auf Englisch unter dem Titel „Proposal for key points of a law on the implementation of a digital supply chain register“, veröffentlicht auf der europäischen Medienplattform POLITICO: https://pro.politico.eu/editorial_documents/7fb3cfd8-7155-4065-977a-479d525272d7

2 https://www.business-humanrights.org/de/schwerpunkt-themen/mandatory-due-diligence/gesetz/

3 https://cleanclothes.org/file-repository/figleaf-for-fashion.pdf/view

4 https://lieferkettengesetz.de/wp-content/uploads/2020/09/Initiative-Lieferkettengesetz_Verh%C3%A4ltnism%C3%A4%C3%9Fig-und-zumutbar_Haftung-nach-dem-LieferkettenG.pdf; Ernst & Young Oy 2020: Judicial Analysis on the Corporate Responsibility Act, Publications of the Ministry of Economic Affairs and Employment. 2020:44, p. 39.: https://julkaisut.valtioneuvosto.fi/handle/10024/162411

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