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Positionen

Mehr „Germany first!“ – weniger globale Verantwortung

Beim Thema Entwicklungszusammenarbeit stellt der Koalitionsvertrag deutsche Interessen ins Zentrum und sieht eine Kürzung der Mittel vor

von Arndt von Massenbach
Veröffentlicht 15. MAI 2025

Im kurzen und polarisierten Bundestagswahlkampf spielten Fragen der Entwicklungspolitik und globalen Gerechtigkeit kaum eine Rolle. Ein Blick in die Wahlprogramme zeigte jedoch grundlegende Unterschiede in der geplanten Ausrichtung und Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit zwischen den Unionsparteien und der SPD. Angesichts der kontroversen Positionen wurde mit Spannung erwartet, welche Kompromisse die Parteien in den Koalitionsverhandlungen in diesem Themenfeld finden würden.

Der Koalitionsvertrag verspricht grundlegende Veränderungen in der Entwicklungspolitik, die Anlass zur Besorgnis geben. Stärker als bisher soll sie den außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interessen Deutschlands dienen. Auch wenn die staatliche Entwicklungszusammenarbeit nie frei von nationalen Interessen war, stellt diese Unterordnung eine neue Qualität da. Als strategische Schwerpunkte werden hierbei – noch vor der Bekämpfung von Armut und Hunger –Außenwirtschaftsförderung, Rohstoffsicherung, Migrationsabwehr und Energiekooperation genannt. Auch wie das aussehen soll, wird skizziert. So soll die hiesige Wirtschaft stärker von der Entwicklungszusammenarbeit profitieren, indem Vergaben von staatlich finanzierten Projekten überwiegend an Unternehmen aus Deutschland und der EU erfolgen. Ob sie dabei auch Jobs vor Ort schaffen müssen, bleibt offen.

Außerdem wird Entwicklungszusammenarbeit als zentraler Hebel der Migrationssteuerung gesehen. Die Koalitionäre wollen den Umfang der bilateralen Zusammenarbeit an die Kooperationsbereitschaft der Partnerländer bei der Begrenzung der irregulären Migration nach Europa und die Rücknahme eigener Staatsbürger*innen knüpfen. Diese Art der Konditionierung lehnen Fachleute sowie Nichtregierungsorganisationen ab. Erforderlich ist vielmehr eine stärkere Ausrichtung an den Bedürfnissen und Perspektiven der Partnerländer – ohne dabei stets eine direkte Gegenleistung zu erwarten. Dazu zählt auch die Anerkennung, dass Deutschland in der Vergangenheit stärker zum Klimawandel beigetragen hat als viele Länder, die heute besonders unter dessen Folgen leiden. Zudem gründet der europäische Wohlstand nicht zuletzt auf einer kolonialen Vergangenheit, der wir uns in verantwortungsvoller Weise stellen müssen.

Die gerade erst etablierte feministische Entwicklungspolitik sucht man im Koalitionsvertrag vergeblich. Stattdessen ist nun wieder von der „Förderung von Mädchen und Frauen“ die Rede. Auch Wörter wie „Geschlechtergerechtigkeit“ oder „Gender“ kommen im gesamten Text nicht einmal vor, da dies nicht zum Anti-Wokeness-Kurs von Teilen der Union passte.

 

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Schwächung des Menschenrechtsschutzes

Beim deutschen Lieferkettengesetz sollen sämtliche Berichtspflichten für Unternehmen sofort entfallen. Auch Sanktionen sollen nur im Fall von „massiven Menschenrechtsverletzungen“ angewandt werden. Damit würde ein zentrales Instrument zum Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten massiv geschwächt. Zwar bekennt sich die Koalition im Vertrag zur „bürokratiearmen“ Überführung der europäischen Lieferkettenrichtlinie in nationales Recht. Äußerungen von Bundeskanzler Merz bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel lassen aber befürchten, dass die Union auch hier weiter an einer Abschaffung arbeiten wird.

Richtig und wichtig ist das grundsätzliche Bekenntnis der Koalitionspartner zu den international vereinbaren Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG) und deren Fortschreibung sowie zum Pariser Klimaschutzabkommens. Allerdings fehlt hier jede Konkretisierung, wie die dieses Ziel erreicht werden sollen, sodass abzuwarten bleibt, wie ernst die neue Regierung es damit meint.

Deutlicher wird der Text in Bezug auf die Finanzierung. Dabei fäll zunächst auf, was nicht drinsteht: Es ist der erste Koalitionsvertrag sei über 30 Jahren, der kein Bekenntnis zur internationalen Verpflichtung enthält, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe (ODA-Quote) bereitzustellen. Stattdessen soll eine „angemessene Absenkung der ODA-Quote“ erfolgen. Dabei müsste Deutschland angesichts des Komplettrückzugs der USA aus der internationalen Zusammenarbeit eher mehr als weniger finanzielle Mittel bereitstellen. Hierzu gibt es lediglich die Einigung, „ein stärkeres Engagement nach dem Ausfall anderer Geber in wichtigen Bereichen“ zu prüfen und die „auskömmliche Finanzierung der humanitären Hilfe“ sicherzustellen. Mit weniger Mitteln wird dies allerdings kaum zu machen sein. Dennoch sehen die SPD-Verhandler*innen es als Erfolg an, dass es die von der CDU geforderte Halbierung der ODA-Quote nicht in den Vertragstext geschafft hat.

Positiv zu bewerten ist der Erhalt des Entwicklungsministeriums (BMZ), das die CDU ursprünglich ins Auswärtige Amt integrieren wollte. Durch ein eigenständiges Ministerium ist die Entwicklungszusammenarbeit weiterhin mit ihrer spezifischen Perspektive am Kabinettstisch vertreten. Außerdem hätte eine Fusion viele Ressourcen gebunden, die gerade jetzt für eine wirksame Entwicklungspolitik dringend gebraucht werden.

Zu begrüßen ist auch die angestrebte Intensivierung der Beziehung zu den Ländern des Globalen Südens. Darüber soll eine neu zu gründende Nord-Süd-Kommission beraten, die auf einen Vorschlag des SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil vom März 2024 zurückgeht.

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Im zweiten Anlauf ins BMZ

Insgesamt überwiegt der Unions-Sound in den Passagen zu Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe im Koalitionsvertrag. Aber viele vage Formulierungen in dem Text bieten die Chance zur Interpretation. Dies im positiven Sinne zu nutzen wird Aufgabe der neuen Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan sein. Die Sozialdemokratin war eine der großen Überraschungen im Kabinett. Mit gerade 35 Jahren steht sie für einen Generationswechsel und ist die einzige Ministerin mit Migrationshintergrund in der neuen Regierung. Bei ihrer Antrittsrede bekannte sie, dass sie sich schon vor zehn Jahren für eine Laufbahn im BMZ beworben hatte. Damals noch erfolglos.

Arndt von Massenbach ist politischer Geschäftsführer von INKOTA, sein Kommentar erscheint im Südlink 212.

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