Die Statue des Kolonialverbrechers Carl Peters sollte einst in Daressalam stehen, Jetzt liegt auf Helgoland. | Foto: Bärbel Miemietz  (CC BY-SA 4.0)
Südlink-Magazin

Südlink zum Thema koloniale Erinnerung erschienen

Aufbruch gegen das Verdrängen?

von Michael Krämer
Veröffentlicht 3. SEPTEMBER 2022

Erst spät stieg das Deutsche Kaiserreich in den Wettlauf um die koloniale Unterwerfung der Welt ein. Und durch die Niederlage im 1. Weltkrieg dauerte die Kolonialepoche Deutschlands nicht sehr lange. Was 1884 begann, fand schon mit dem Vertrag von Versailles 1919 sein Ende. Lange her, eher kurz, nicht wirklich der Rede wert also und ohne Bezug zur Gegenwart? Nein! Koloniale Amnesie, eine Mischung aus Vergessen und Verdrängen, prägte lange, viel zu lange den Umgang mit dieser Epoche der deutschen Geschichte. Und wenn über den Kolonialismus gesprochen wurde, dann oft in einer Mischung aus Verharmlosung und Geschichtsverfälschung: Weder wurde der Völkermord an den Ovaherero und Nama in Deutsch-Südwestafrika (1904-1908) so benannt, noch war der brutale Krieg gegen die Maji-Maji-Bewegung (1905-1907) in Deutsch-Ostafrika, der einschließlich seiner unmittelbaren Folgen bis zu 300.000 Menschenleben forderte, im Bewusstsein verankert. Und auch von den Vertreibungen und der Zwangsarbeit auf Plantagen in Kamerun wollte kaum jemand etwas wissen. Stattdessen wurden der Bau von Krankenhäusern, Straßen und Eisenbahnlinien als Beleg für die Segnungen des Fortschritts angeführt, den Deutschland in seine Kolonien gebracht habe. Selbst der Afrika-Beauftragte der letzten Bundesregierung, Günter Nooke, konnte 2018 noch behaupten, „der Kalte Krieg hat Afrika mehr geschadet als der Kolonialismus“.

Magazin
suedlink_201_cover.jpg
Südlink 201 - Koloniale Erinnerung
Aufbruch gegen das Verdrängen? | September 2022
Magazin
Südlink 201 - Koloniale Erinnerung
Aufbruch gegen das Verdrängen? | September 2022
Vergessen und Verharmlosen prägte lange Zeit die Erinnerung an den deutschen Kolonialismus. Erst seit einigen Jahren ändert sich dies. Doch wie kommen wir von der Erinnerung zur Veränderung? Deutschlands Kolonialepoche war eher kurz und endete bereits 1919. Nicht so…

So wie es falsch wäre, die aktuelle Lage „in ehemaligen Kolonien auf Kolonialismus allein zurückzuführen“ wäre es falsch „ihn als etwas zu betrachten, das vorüber ist und keine Wirkkraft mehr hat“, schreibt Boniface Mabanza in seinem Einleitungsbeitrag zu diesem Dossier. Auch 60 Jahre nach der Unabhängigkeit der afrikanischen Länder haben sich die Machtverhältnisse kaum verschoben. Wir brauchen eine realistische Erinnerung an den Kolonialismus, aber auch ein Handeln, das zu Veränderungen führt. Für einen wirklichen Aufbruch aus der langen Verdrängung kolonialen Unrechts sowie aus kolonialen Abhängigkeiten ist eine ganz andere Politik nötig und eine Reform eines höchst ungleichen Weltwirtschaftssystems. Nicht vergessen: Wenn Menschen aus den Ländern des globalen Südens nach Europa fliehen, hat das einiges mit dem Kolonialismus zu tun. Manches wurde erreicht in den letzten Jahren in Bezug auf die vielen geraubten Objekte in deutschen Museen. Mit der Mehrzahl der Benin-Bronzen werden die vermutlich berühmtesten bald nach Nigeria zurückkehren. Weitere werden folgen. Zu verdanken ist dieser Erfolg dem beharrlichen Eintreten von Aktivist*innen und Regierungen aus den einst geplünderten Ländern, einer neuen Generation selbstkritischerer Museumsleute und postkolonialen Gruppen in Deutschland und Initiativen Schwarzer Deutscher, die unermüdlich das Fortbestehen kolonialen Unrechts anprangern. Da ist in den letzten Jahren einiges in Bewegung gekommen, das sicherlich noch weiter wirken wird. Möge unser Beitrag gegen das Vergessen und Verdrängen eine anregende Lektüre bieten, wünscht sich und Ihnen

Michael Krämer

Michael Krämer arbeitet bei INKOTA und ist Redakteur des Südlink-Magazins.

Michael Krämer arbeitet bei INKOTA und ist Redakteur des Südlink-Magazins.

Gefördert durch Brot für die Welt aus Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes, durch die Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit des Landes Berlin sowie die Stiftung Nord-Süd-Brücken.

Für den Inhalt dieser Publikation ist allein der INKOTA-netzwerk e.V. verantwortlich; die hier dargestellten Positionen geben nicht den Standpunkt der Zuwendungsgeber wieder.

Ihre Spende hilft!

INKOTA-Spendenkonto
IBAN DE 06 3506 0190 1555 0000 10
BIC GENODED1DKD

Hier können Sie für ein Projekt Ihrer Wahl oder zweckungebunden spenden: