Bangladesch: Verhandlungen über den Mindestlohn vor dem Aus
Arbeitgeber setzen auf unverschämten Mindestlohn von 89 Euro. Europäische Marken schweigen. Repressionen nehmen zu.
Während der laufenden Verhandlungen um einen neuen Mindestlohn für Arbeiter*innen in der Bekleidungsindustrie wächst die Besorgnis zivilgesellschaftlicher Organisationen, dass es bei einem viel zu geringem Lohn bleibt - nicht zuletzt durch das Schweigen großer Marken wie Asos, H&M, Zalando & Co. Zusätzlich nehmen gewalttätige Einschüchterungsversuche durch Fabrikbesitzer weiter zu.
Lohn zum Leben? Fehlanzeige!
Die Besorgnis wächst, dass die laufenden Lohnverhandlungen für den Bekleidungssektor in Bangladesch zu einem neuen Armutslohn führen. Die Arbeitgeber legten einen ungeheuerlichen Vorschlag vor: 89 Euro (10.400 Tk) pro Monat. Ein solch unwürdiges Angebot lehnen die Gewerkschaften ab, denn das bedeutet Armut trotz harter Arbeit. Ein fairer Lohn, der grundlegende Bedürfnisse deckt, wäre mindestens das Dreifache des aktuellen Mindestlohns von 23.000 Tk (195 Euro) pro Monat. Doch damit nicht genug: Das inakzeptable Angebot seitens der Unternehmen und deren Verbänden hat Rückendeckung durch das Schweigen und die Gleichgültigkeit der Modemarken wie u.a. Asos, H&M, M&S und Uniqlo. Sie setzen sich offiziell für existenzsichernde Löhne ein, doch schwiegen nun zu den aktuellen Verhandlungen.
Textilunternehmen & Marke: Übernehmt endlich Verantwortung!
Unternehmen die in Bangladesch sourcen werden mit dem Schweigen zu Komplizen, wenn die Menschenrechte bei der Arbeit aktuell mit Füßen getreten werden. Die Forderung der Gewerkschaften und der Menschen nach einem Lohn von mindestens 195 Euro (23.000Tk) müssen unterstützt werden und letztlich müssen endlich höhere Preise für die Produkte gezahlt werden. Die Einkaufspraktiken und Preispolitik der Unternehmen wirken sich direkt auf die Löhne der Arbeitnehmer aus. Die Marken und Handelshäuser haben einen erheblichen Einfluss auf die Fabrikbesitzer. Ihr Schweigen ermutigtet jedoch aktuell Arbeitgeber und Verbände in Bangladesch, mit Hohn und Repression Löhne durchzusetzen, die ein Leben in Würde nicht ermöglichen und Menschenrechte verletzen.
Gewalt gegenüber Gewerkschafter*innen während Lohnverhandlungen
Doch bei Hohn bleibt es nicht. Unsere Partnerorganisationen berichten, dass Einschüchterung und Repression gegenüber Arbeiter*innen zunehmen. Während landesweit Arbeiter*innen für fairen Löhne protestieren, versuchen Fabrikbesitzer zunehmend die Arbeit von Gewerkschaften mit Gewalt zu unterdrücken. Aktuell sind mehrere Fälle von schweren körperlichen Angriffen als Mittel der Einschüchterung bekannt. Erneutes Todesopfer: Am 30. Oktober 2023, wurde Rasel Hawlader, 25 Jahre alt, ein Maschinist bei Design Express Garments Ltd., während eines Protestes von der bangladeschischen Polizei erschossen.
Die Marken und Textilunternehmen sind in der Pflicht die Forderungen der Gewerkschaften zu unterstützen. Aufgrund ihres erheblichen Einflusses durch die Einkaufspraktiken und Preispolitik können sie direkt auf die Löhne der Arbeitnehmer*innen einwirken. Das deutsche Textilbündnis, eine Multi-Stakeholder-Initiative, die Unternehmen, Verbände, Nichtregierungsorganisationen, Standardorganisationen, Gewerkschaften und die deutsche Bundesregierung an einen Tisch bringt, um die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie strukturell zu verbessern, hat sich grundsätzlich positioniert: „Gemeinsam mit Gewerkschaften, Unternehmen und Zivilgesellschaft setzen wir uns für faire und formelle Arbeitsbedingungen sowie existenzsichernde Löhne weltweit ein. Existenzsichernde Löhne ermöglichen ein Leben in Würde, ein erklärtes Ziel aller Akteur*innen in der Textillieferkette.“ Dieses Bekenntnis reicht nicht aus.
Zwar sind einige Marken dem Aufruf der Gewerkschaften gefolgt und haben individuelle Stellungnahmen zur Unterstützung ihrer Lohnforderungen veröffentlicht. Doch der überwiegende Teil der Unternehmen und auch der Mitglieder des Textilbündnisses haben dies jedoch nicht getan, obwohl die sich zu existenzsichernden Löhnen verpflichtet haben.
Gemeinsam mit der Clean Clothes Campaign und der Asia Floor Wage unterstützen wir die Forderungen der Gewerkschaften und verurteilten aufs Schärfste die gewaltsame Unterdrückung von Bekleidungsarbeiter*innen. Die Regierung von Bangladesch muss unverzüglich dafür zu sorgen, dass das Recht der Arbeiter*innen auf Protest respektiert wird. Gleichzeitig müssen endlich große Textilunternehmen Verantwortung übernehmen und höhere Preise für ihre Produkte zahlen. Wir sind solidarisch mit all jenen, die um Rasel Hawlader trauern, ein Bekleidungsarbeiter, die erschossen wurde, während er friedlich 23.000 Tk als neuen Mindestlohn für den RMG-Sektor in Bangladesch forderte.