Aktivist*innen machen beim damaligen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf die Folgen von Biosprit aufmerksam (2008)
In eigener Sache

Biosprit macht Hunger

INKOTA verhindert, dass Nahrungsmittel als Biokraftstoffe die Tanks der Autos in Deutschland füllen

von Evelyn Bahn
Veröffentlicht 21. JULY 2021

Dieser Text ist Teil einer Artikelreihe, die zum 50. Geburtstag von INKOTA erschienen ist. Wir blicken darin auf einige unserer wichtigsten Erfolge zurück.

"Wir haben leere Mägen und ihr habt volle Tanks!" – Mit diesen Worten kritisierte Flor Martínez von der INKOTA-Partnerorganisation Odesar aus Nicaragua auf einer Großveranstaltung zum G8-Gipfel 2007 die Verwendung von Biosprit. 80.000 Menschen vor Ort und über eine Million Zuschauer*innen vor den Fernsehgeräten hörten die wichtige Rede. Denn für die Produktion der Kraftstoffe wurden seit der Jahrtausendwende zunehmend Nahrungsmittel verwendet, wie z.B. Mais, Palmöl oder Soja. Ausgelöst wurde der Boom um Biokraftstoffe (auch "Agrokraftstoffe" genannt) durch die ehrgeizigen politischen Ziele vieler Regierungen im globalen Norden, die Nutzung von Biokraftstoffen in den kommenden Jahren massiv auszuweiten. Die fatalen Folgen dieser Politik wurden bereits Anfang 2008 deutlich: In mehr als 30 Ländern kam es zu Hungerrevolten. Die Preise für Grundnahrungsmittel waren so sehr in die Höhe geschossen, dass sie für viele Menschen im globalen Süden schlicht unbezahlbar wurden. Zahlreiche Studien belegten, dass die massiven Preissteigerungen auch auf die Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Kraftstoffproduktion zurückzuführen waren.

In Deutschland wurde der Zusammenhang zwischen steigenden Lebensmittelpreisen und der Förderung von Agrarkraftstoffen lange Zeit ignoriert. Die Bundesregierung unter Angela Merkel setzte sich weitestgehend ohne Kritik der Oppositionsparteien unter anderen auf EU-Ebene dafür ein, die Nutzung von Agrarkraftstoffen auszuweiten. Denn auch bei den Grünen und vielen Umweltverbänden galten Agrarkraftstoffe als Antwort auf die klimaschädlichen Auswirkungen fossiler Kraftstoffe.

INKOTA setzt Hunger auf die Agenda

Mit der Aktion "Biosprit macht Hunger" war INKOTA eine der ersten Organisationen in Deutschland, die die fatalen Auswirkungen von Agrarkraftstoffen öffentlich machte. Die Berichte und Warnungen unserer Partnerorganisationen aus Lateinamerika hatten dabei den zentralen Anstoß gegeben, mit öffentlichen Protestaktionen Druck auf politische Entscheidungsträger*innen auszuüben.

Mit einer Postkartenaktion an den damaligen SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel forderten wir die Rücknahme der Beimischungsziele für Agrarkraftstoffe. Das ganze Jahr über sammelten INKOTA-Unterstützer*innen bei Veranstaltungen, Info-Tischen und Aktionen Unterschriften, um den Druck auf den Umweltminister zu erhöhen. Während Social-Media-Plattformen und Organisationen wie Campact in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckten, konnten von der Webseite "Biosprit macht Hunger" aus bereits Protestmails an Sigmar Gabriel verschickt werden.

Zum Auftakt der Aktion entrollten INKOTA- Aktivist*innen aus 20 Meter Höhe ein riesiges Transparent über einer Tankstelle mit der Warnung: "Biosprit macht Hunger". Die Aktion weckte die Aufmerksamkeit von Print- und Fernsehmedien und erreichte damit Menschen im gesamten Bundesgebiet.

Dieser Text ist Teil einer Artikelreihe, die zum 50. Geburtstag von INKOTA erschienen ist. Wir blicken darin auf einige unserer wichtigsten Erfolge zurück.

"Wir haben leere Mägen und ihr habt volle Tanks!" – Mit diesen Worten kritisierte Flor Martínez von der INKOTA-Partnerorganisation Odesar aus Nicaragua auf einer Großveranstaltung zum G8-Gipfel 2007 die Verwendung von Biosprit. 80.000 Menschen vor Ort und über eine Million Zuschauer*innen vor den Fernsehgeräten hörten die wichtige Rede. Denn für die Produktion der Kraftstoffe wurden seit der Jahrtausendwende zunehmend Nahrungsmittel verwendet, wie z.B. Mais, Palmöl oder Soja. Ausgelöst wurde der Boom um Biokraftstoffe (auch "Agrokraftstoffe" genannt) durch die ehrgeizigen politischen Ziele vieler Regierungen im globalen Norden, die Nutzung von Biokraftstoffen in den kommenden Jahren massiv auszuweiten. Die fatalen Folgen dieser Politik wurden bereits Anfang 2008 deutlich: In mehr als 30 Ländern kam es zu Hungerrevolten. Die Preise für Grundnahrungsmittel waren so sehr in die Höhe geschossen, dass sie für viele Menschen im globalen Süden schlicht unbezahlbar wurden. Zahlreiche Studien belegten, dass die massiven Preissteigerungen auch auf die Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Kraftstoffproduktion zurückzuführen waren.

In Deutschland wurde der Zusammenhang zwischen steigenden Lebensmittelpreisen und der Förderung von Agrarkraftstoffen lange Zeit ignoriert. Die Bundesregierung unter Angela Merkel setzte sich weitestgehend ohne Kritik der Oppositionsparteien unter anderen auf EU-Ebene dafür ein, die Nutzung von Agrarkraftstoffen auszuweiten. Denn auch bei den Grünen und vielen Umweltverbänden galten Agrarkraftstoffe als Antwort auf die klimaschädlichen Auswirkungen fossiler Kraftstoffe.

INKOTA setzt Hunger auf die Agenda

Mit der Aktion "Biosprit macht Hunger" war INKOTA eine der ersten Organisationen in Deutschland, die die fatalen Auswirkungen von Agrarkraftstoffen öffentlich machte. Die Berichte und Warnungen unserer Partnerorganisationen aus Lateinamerika hatten dabei den zentralen Anstoß gegeben, mit öffentlichen Protestaktionen Druck auf politische Entscheidungsträger*innen auszuüben.

Mit einer Postkartenaktion an den damaligen SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel forderten wir die Rücknahme der Beimischungsziele für Agrarkraftstoffe. Das ganze Jahr über sammelten INKOTA-Unterstützer*innen bei Veranstaltungen, Info-Tischen und Aktionen Unterschriften, um den Druck auf den Umweltminister zu erhöhen. Während Social-Media-Plattformen und Organisationen wie Campact in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckten, konnten von der Webseite "Biosprit macht Hunger" aus bereits Protestmails an Sigmar Gabriel verschickt werden.

Zum Auftakt der Aktion entrollten INKOTA- Aktivist*innen aus 20 Meter Höhe ein riesiges Transparent über einer Tankstelle mit der Warnung: "Biosprit macht Hunger". Die Aktion weckte die Aufmerksamkeit von Print- und Fernsehmedien und erreichte damit Menschen im gesamten Bundesgebiet.

Ein weiterer Höhepunkt der Aktionen gegen Biosprit war die Demonstration für Vielfalt anlässlich der UN-Gentechnik- und Biodiversitätskonferenzen im Mai 2008 in Bonn. Hier ließ INKOTA die Puppen tanzen. Der Demowagen von INKOTA griff das Thema Biosprit auf und war mit einer drei Meter hohen Tanksäule dekoriert, in die Mais eingeworfen wurde. Daneben tanzte eine riesige Zapfsäule mit der Aufschrift "Agro", umzingelt von überdimensionalen Kleinbauern und Maiskolben.

Protestaktionen zeigen Wirkung: weniger Biosprit in Deutschland

Zum Jahresende erhöhte INKOTA den Druck auf Bundesumweltminister Gabriel mit einer Aktion anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober. Ausgestattet mit Töpfen, Großpuppen und Transparenten zogen INKOTA-Aktivist*innen vor das Bundesumweltministerium und forderten eine Rücknahme der Beimischungsquoten für Biokraftstoffe.

Im Dezember überreichten die Aktivist*innen dem Bundesumweltminister schließlich 20.000 Unterschriften in der Bundespressekonferenz. Die intensive Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit von INKOTA ist nicht ohne Wirkung geblieben: Bundesminister Gabriel räumte ein, dass Biokraftstoffe in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen. Die Pläne des Bundesumweltministers, die Beimischungsquoten für Kraftstoffe aus Pflanzen weiter auszuweiten, wurden eingestellt. Zwar wird noch immer eine geringe Prozentzahl an sogenanntem Bioethanol oder Biodiesel fossilen Kraftstoffen beigemischt, aber der Anteil an Agrarkraftstoffen ist weitestgehend konstant geblieben. Politische Förderung der Agrarkraftstoffe wie Steuererleichterungen sind in Europa mittlerweile eingestellt. „Teller oder Tank“ gilt in der Diskussion um die Zukunft der Verkehrswende als zentrales Argument gegen eine Ausweitung der Agrarkraftstoffnutzung und kaum jemand bestreitet noch, dass ein Nutzungskonflikt besteht.

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