Südlink-Magazin

Corona in El Salvador: Die Gewalt hinter verschlossenen Türen

Unsere Partnerin Morena Herrera berichtet von der Last der Sorgearbeit und dem Anstieg sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen.

von Michael Krämer
Veröffentlicht 25. MAI 2020

Wie in vielen anderen Ländern weltweit ist auch in El Salvador eine Ausgangssperre die wichtigste Maßnahme, um die weitere Verbreitung des Coronavirus zu verhindern. In meinem Land setzen Polizei und Militär die Einhaltung jedoch strikt durch und Verstöße werden bestraft.

Südlink 192 - Gender und Gewalt
Für ein Leben ohne Angst | Juni 2020
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Geschlechtsspezifische Gewalt ist weltweit und an allen Orten anzutreffen: zu Hause und im öffentlichen Raum, in der Arbeit und in der Freizeit. Sie kann körperlich, sexuell, psychisch und ökonomisch sein. Sie ist der schlimmste Ausdruck der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern.

Die Aufforderung “#QuédateEnCasa” (“#BleibtzuHause“) wirkt sich auf Frauen und Männer allerdings sehr unterschiedlich aus. Für viele Frauen bedeutet sie die Zuweisung einer alten Rolle: „Bleib zu Hause, weil dort dein Platz ist und du dich um deine Familie sorgen sollst.” Die Frauen aus Familien mit Internetzugang müssen zu Hause den Unterricht mit den Materialien organisieren, die die Lehrer*innen digital bereitstellen. In den meisten Familien müssen sie diesen Unterricht jedoch mit schriftlichen Materialien durchführen.

Die Zwangsquarantäne hat in El Salvador bereits im März begonnen. So wie diese die Arbeitsüberlastung der Frauen noch verstärkt hat, hat sie auch verdeutlicht, dass die gesamte Sorgearbeit anders verteilt werden muss. Leider ist für dieses Anliegen kein Platz in den Diskursen der staatlichen Institutionen.

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Wachsende Gewalt durch Ausgangssperre

Ein anderer Bereich, in dem sich die Lage der Frauen deutlich verschlechtert hat, ist die wachsende Gewalt, die sie hinter den nun verschlossenen Türen erleiden. Diese geschlechtsspezifische Gewalt ist kein neues Phänomen, sie hat das Zusammenleben in sehr vielen Haushalten in El Salvador schon zuvor geprägt. Allerdings stehen viele Frauen in den Zeiten von Ausgangssperre und sozialer Isolierung der Gewalt ihrer Partner und anderer Familienmitglieder nun allein gegenüber.

Wenn sie nicht in einem rücksichtsvollen Umfeld leben, kann der zwangsweise Hausarrest die familiären Spannungen erhöhen. Und wenn diese in gewaltsame Ausbrüche münden, treffen sie vor allem die Schwächsten, also die Frauen und die Kinder.

In diesem Zusammenhang kommt es auch zu einem Anstieg der sexualisierten Gewalt, vor allem gegen Frauen und Mädchen. Sie erleiden sexuelle Aggressionen und Belästigungen, die traditionellerweise nicht bestraft werden.

Die sexualisierte Gewalt wird gewöhnlich schweigend erlitten, und mit der Pandemie und der Ausgangssperre ist dieses Schweigen noch größer geworden. Erstens weil die Angst vor dem Aggressor sehr groß ist. Schließlich gehört er zum eigenen Haushalt. Zweitens weil die Angst davor, auf die Straße zu gehen, ebenso groß ist, weil man dort festgenommen und in ein Quarantäne-Haftzentrum gebracht werden kann. Und drittens, weil die Regierung die Einrichtungen zum Schutz von Frauen vor Gewalt verringert oder ganz abgeschafft hat.

Aus dem Spanischen von Michael Krämer.

Morena Herrera arbeitet unter anderen beim „Bürger*innennetzwerk für die Entkriminalisierung der Abtreibung in El Salvador“ und ist eine der Sprecherinnen der Kampagne „Freiheit für die 17 plus“, die das INKOTA-netzwerk seit mehreren Jahren unterstützt.

Morena Herrera arbeitet unter anderen beim „Bürger*innennetzwerk für die Entkriminalisierung der Abtreibung in El Salvador“ und ist eine der Sprecherinnen der Kampagne „Freiheit für die 17 plus“, die das INKOTA-netzwerk seit mehreren Jahren unterstützt.

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