Was müsste passieren, damit der Abbau von Kobalt zur Entwicklung im Kongo beiträgt? Eine Besserstellung und Modernisierung des Kleinbergbaus, findet Jacques Nzumbu Mwanga von der Nichtregierungsorganisation CARF. Hier arbeiten Millionen von Menschen und tragen zum Auskommen ihrer Dorfgemeinschaften bei.

Kobalt ist auf dem internationalen Markt heiß begehrt. Wie macht sich das auf lokaler Ebene bemerkbar?
Bei den Kleinschürfern, die das Mineral manuell abbauen, spürt man davon nichts. Ihre Lebensbedingungen haben sich nicht verändert und sie erleben dieselben Betrügereien an der Waage und rund um den Mineralgehalt des abgebauten Erzes. Der Preis, den man ihnen für ihr Produkt zahlt, ist der gleiche geblieben, trotz des enorm steigenden Kobaltkurses auf dem Weltmarkt.
Die Regierung vertritt die Rechte der Kleinschürfer nicht klar gegenüber den vorrangig chinesischen Käufern. Damit der Kleinbergbau profitiert, müssten moderne Handelszentren mit klaren Spielregeln geschaffen und ebenso wie Kleinbergbaukooperativen und Zwischenhandelsstrukturen von Investitionsbanken im Bergbausektor unterstützt werden. Wenn nichts von alldem passiert, wird der Kleinbergbau nicht von diesem kongolesischen Moment auf den Weltmärkten profitieren.

Das ist nicht das einzige Problem. Kleinschürfer und lokale Dorf- gemeinschaften in der Nähe der Abbaugebiete erleiden die ökologischen Folgen der Ausbeutung. Kann das neue, im März 2018 verabschiedete Bergbaugesetz Abhilfe leisten?
Das neue Bergbaugesetz ist ein wichtiger Meilenstein, was soziale Unternehmens- verantwortung angeht. Ab sofort ist die soziale Unternehmensverantwortung gesetzlich verpflichtend für alle Bergbauunternehmen in der Demokratischen Republik Kongo. Dass endlich Schluss ist mit der Freiwilligkeit, ist das Ergebnis der Arbeit der kongolesischen Zivilgesellschaft.
Ein Unternehmen kann für die Verunreinigung von Boden, Luft oder Wasser und anderen Formen von Umweltverschmutzung oder Zerstörung von Ökosystemen, aber auch im Hinblick auf daraus resultierende Krankheiten unter der Anrainerbevölkerung haftbar gemacht werden. Laut neuem Umweltgesetz verjähren Verstöße gegen Umweltrecht nicht mehr. Das ist ein ungemeiner Fortschritt.

Bleibt abzuwarten, wie es dann mit der Umsetzung aussieht. Der Bergbausektor erfuhr enorme Kritik, als Amnesty International 2017 Kinderarbeit beim Kobaltabbau angeprangert hat. Ist diese Kritik berechtigt?
Es ist schwierig, den handwerklichen Abbau von Kobalt von jenem von Kupfer abzugrenzen. Beide Metalle werden faktisch in denselben Abbautunneln geschürft. In beiden Wertschöpfungsketten sind auch Kinder tätig. Konkret in den Abbautunneln, also den Löchern, in denen die Minerale gewonnen werden, gibt es aber weder Kinder unter 18 Jahren, noch Frauen. Das ist sehr harte Männerarbeit. Kinder, und auch Frauen, treffen wir in der nachgelagerten Wertschöpfungskette, dort, wo die Minerale gewaschen werden. Ihre genaue Zahl ist allerdings nicht bekannt.

Man findet auch Kinder, die nicht mit den Bergbaukooperativen zusammenarbeiten, sondern die Minerale auf den Abraumhalden der Bergbauunternehmen aufsammeln oder dort Kupfer oder Kobalt stehlen, um es an dieselben Unternehmen zu verkaufen oder aber auch an andere chinesische oder kongolesische Zwischenhändler. Diese Kinder sind nicht organisiert und es sind zahlenmäßig die meisten, die rund um die Bergbauindustrie in solcher Weise arbeiten. Kinder sollten gänzlich von den Minen verschwinden. Aber dazu braucht es neben bergbaulichem Management erst einmal Alternativen in einem Land, wo die Schulen praktisch nicht mehr existieren und wo ein geregeltes Arbeitsverhältnis die absolute Ausnahme ist.

Seit dem Bericht von AI versuchen große Unternehmen, zum Beispiel der Automobilindustrie, den Kleinbergbau zu umgehen, um eine reine Weste zu haben und konzentrieren sich auf Kobalt aus dem industriellen Abbau. Ist das eine Lösung?
Auf keinen Fall! Man verschafft sich ein ruhiges Gewissen und vergisst, dass das Zusammenspiel zwischen Industrie und Kleinbergbau eng ist: Die Minerale aus dem Kleinbergbau landen ohnehin auf verstecktem Weg in den industriellen Kanälen. Die Menge des dort abgebauten Kobalts ist unverzichtbar für die Unternehmen. Sie sollen nicht so tun, als würden sie die Mineralien aus dem Kleinbergbau umgehen können.
Darüber hinaus hat die Industrie ihre eigenen Probleme mit Menschenrechtsverstößen zu lösen. Das Beste wäre es, den Kleinbergbau zu einem modernen, eigenständigen Handwerk zu entwickeln, das mit Unterstützung der Industrie die Rolle eines Unterauftragnehmers einnehmen kann.

Abgesehen von der Kinderarbeit: Funktioniert der Kleinbergbau für Kobalt gut?
Es gibt strukturelle Herausforderungen, der Kleinbergbau gerät oft in Konflikt mit dem Staat und dem industriellen Sektor. Zunächst fehlen staatlich ausgewiesene und klar abgegrenzte Abbaugebiete, in denen Kleinbergbau-Kooperativen tätig sein können. Das schafft zahlreiche Konflikte, da die Kleinschürfer oft auf dem Gelände von Bergbauunternehmen arbeiten. Nicht selten werden diese Kleinschürfer dann zwangsumgesiedelt durch die Regierung oder die Unternehmen selbst, was wiederum tiefe Spannungen erzeugt. Hinzu kommt ein erheblicher Mangel an Transparenz entlang der Handelsketten für Kobalt aus Kleinbergbau: das Kobalt geht aus den Händen der Kleinschürfer in die Kooperativen, von dort zu den Zwischenhändlern, dann zu den Handelsgesellschaften und Aufbereitern und schließlich zur Industrie. Entlang dieser Kette gibt es starke Spannungen und viel Betrügerei. In der Folge können sich Kleinschürfer oft nicht in ihrem Beruf halten, und das kann langfristig zu Gewalt führen.

Bei all den genannten Konfliktpotenzialen und Schwierigkeiten fragt man sich, wieso sich der Kleinbergbausektor trotz allem hält? Welche Vorteile hat er gegenüber dem industriellen Abbau?
Das ist ganz einfach: Der Kleinbergbau ernährt mehr als 20 Millionen Kongolesen. Weltweit hat der Kleinbergbau weniger Bedeutung als der industrielle Abbau, nicht so in der DRK. Derzeit schafft der Kleinbergbau im Kongo bedeutend mehr Arbeitsplätze, so prekär sie auch sein mögen, als der industrielle Bergbau.

Ein klein wenig trägt der Kleinbergbau auch dazu bei, das Risiko von Gewalt und Sabotage gegenüber der Bergbauindustrie in Katanga einzudämmen, denn die Bergbauunternehmen stellen wenig junge Leute aus den lokalen Gemeinschaften ein aufgrund fehlender Ausbildung. Der artisanale Sektor verringert so die drohende Explosion sozialer Spannungen.

Einige industrielle Initiativen streben an, ihre Lieferketten einer stärkeren Kontrolle zu unterziehen, um Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden. Ist das ein guter Ansatz?
Diese Initiativen zur Nachvollziehbarkeit der Kobalt-Lieferkette werden wirkungslos bleiben, das hat der missglückte Versuch hinsichtlich nachvollziehbarer Lieferketten und der Zertifizierung bei Gold, Tantal, Wolfram und Zinn gezeigt.

Und wenn die DRK ein Embargo auf den Export seines Kobalts aussprechen, eine Exportquote einführen und seine Ökonomie diversifizieren würde?
All diese Optionen sind in der Diskussion. Das Beste, was man tun kann, ist von der DRK eine Reform seiner globalen und politischen Führung einzufordern. Solange es kurzfristig keinen wirksamen Ersatz für Kobalt in Batterien gibt, ist die DRK, die etwa 67 Prozent des weltweit benötigten Kobalts liefert, in einer enormen Machtposition. Der Kongo muss von dieser Position profitieren, um auf globaler Ebene ein Partner auf Augenhöhe zu werden.
Eines sollte man nicht vergessen: der rasante Anstieg des Kobaltpreises steht nicht in erster Linie in Verbindung mit elektrischen Fahrzeugen, sondern mit der Rüstungsindustrie. Sie ist auf Kobalt angewiesen und in diesem Bereich ist keine Substitution in Aussicht.

Wird der Kongo es schaffen, das von Ihnen beschriebene kongolesische Moment zu nutzen?
Dieses Moment erscheint derzeit als eine verpasste Gelegenheit. Wir brauchen einen Führungswechsel und einen politischen Kurswechsel in unserem Land, um die Chancen dieses Kobalt-Moments zu ergreifen und die Karten eines Landes auszuspielen, das seine Bevölkerung, besonders die Ärmsten, profitieren lassen möchte.
Das neue Bergbaugesetz kann helfen, den Kleinbergbausektor besser zu strukturieren. Dort muss man ansetzen und nicht bei restriktiven Maßnahmen. Alles hängt ab von der Regierungsführung. Wenn dort die richtigen Schrauben gedreht werden, können große Unternehmen dazu motiviert werden, Schmelzen oder gar Batteriezellenwerke direkt in der DRK aufzubauen.

Das Interview führte Beate Schurath im Juli 2018.

Zum Autor

Jaques Nzumbu Mwanga, SJ, Sozial- und Politikwissenschaftler und Experte für Rohstoffgovernance, ist Direktor für Forschung und Naturressourcenmanagement der kongolesischen Nichtregierungsorganisation CARF in der Provinz Haut-Katanga. Seit 2015 engagiert sich CARF für verantwortungsvollen Bergbau und die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen im Kleinbergbau.

Jaques Nzumbu Mwanga, SJ, Sozial- und Politikwissenschaftler und Experte für Rohstoffgovernance, ist Direktor für Forschung und Naturressourcenmanagement der kongolesischen Nichtregierungsorganisation CARF in der Provinz Haut-Katanga. Seit 2015 engagiert sich CARF für verantwortungsvollen Bergbau und die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen im Kleinbergbau.

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