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In eigener Sache

Bis alle in Freiheit sind

El Salvador: Die "Kampagne für die 17 Plus" hat mehr als 40 unschuldig inhaftierte Frauen befreit

von Michael Krämer
Veröffentlicht 22. JULY 2021

Dieser Text ist Teil einer Artikelreihe, die zum 50. Geburtstag von INKOTA erschienen ist. Wir blicken darin auf einige unserer wichtigsten Erfolge zurück.

Siebzehn Jahre alt war Guadalupe Vásquez, als sie auf dem Heimweg von ihrer Arbeit von einem Mann überfallen und vergewaltigt wurde. „Ich habe niemandem etwas davon gesagt. Aus Angst und aus Scham“, berichtete sie acht Jahre später dem El Salvador-Referenten von INKOTA, Michael Krämer. Er traf sie Anfang 2015 in Ilopango, im größten Frauengefängnis des Landes, wo sie seit sieben Jahren einsaß. Von der Vergewaltigung war Guadalupe Vásquez schwanger geworden und erlitt etwa acht Monate später eine Fehlgeburt, die der Fötus nicht überlebte. Sie verlor viel Blut und kam in ein Krankenhaus, wo sie verhaftet wurde. Der Vorwurf lautete: Abtreibung. In einem höchst unfairen Gerichtsverfahren wurde sie dann wegen Mordes zu 30 Jahren Haft verurteilt.

So wie Guadalupe Vásquez erging es vielen Frauen in El Salvador, die eine Früh- oder Fehlgeburt hatten. Selbst wenn wie auch im Fall Guadalupes im Obduktionsbericht stand, dass es keine Gewalteinwirkung gegen den Fötus gegeben hatte oder nicht festgestellt werden konnte, ob dessen Tod vor, während oder nach der Geburt eingetreten war.

Vielen Frauen in El Salvador wurde dieses Unrecht angetan. Vorurteilsbeladene Richter (fast ausschließlich Männer) verurteilten sie wegen Mordes zu 30 oder sogar 40 Jahren Haft. Und weil sie allesamt arm waren, hatten sie meist nur eine Pflichtverteidigung, die schlecht vorbereitet war. Um etwas dagegen zu unternehmen, gründeten verschiedene Frauenorganisationen die Kampagne „Freiheit für die 17“. Es saßen zwar mehr als 17 Frauen wegen angeblicher Kindstötung in Haft, doch anfangs hatte die Kampagne noch nicht zu allen Kontakt aufnehmen können. Am 1. April 2014 startete die Kampagne mit dem Ziel, die Begnadigung der 17 Frauen zu erreichen.

Dieser Text ist Teil einer Artikelreihe, die zum 50. Geburtstag von INKOTA erschienen ist. Wir blicken darin auf einige unserer wichtigsten Erfolge zurück.

Siebzehn Jahre alt war Guadalupe Vásquez, als sie auf dem Heimweg von ihrer Arbeit von einem Mann überfallen und vergewaltigt wurde. „Ich habe niemandem etwas davon gesagt. Aus Angst und aus Scham“, berichtete sie acht Jahre später dem El Salvador-Referenten von INKOTA, Michael Krämer. Er traf sie Anfang 2015 in Ilopango, im größten Frauengefängnis des Landes, wo sie seit sieben Jahren einsaß. Von der Vergewaltigung war Guadalupe Vásquez schwanger geworden und erlitt etwa acht Monate später eine Fehlgeburt, die der Fötus nicht überlebte. Sie verlor viel Blut und kam in ein Krankenhaus, wo sie verhaftet wurde. Der Vorwurf lautete: Abtreibung. In einem höchst unfairen Gerichtsverfahren wurde sie dann wegen Mordes zu 30 Jahren Haft verurteilt.

So wie Guadalupe Vásquez erging es vielen Frauen in El Salvador, die eine Früh- oder Fehlgeburt hatten. Selbst wenn wie auch im Fall Guadalupes im Obduktionsbericht stand, dass es keine Gewalteinwirkung gegen den Fötus gegeben hatte oder nicht festgestellt werden konnte, ob dessen Tod vor, während oder nach der Geburt eingetreten war.

Vielen Frauen in El Salvador wurde dieses Unrecht angetan. Vorurteilsbeladene Richter (fast ausschließlich Männer) verurteilten sie wegen Mordes zu 30 oder sogar 40 Jahren Haft. Und weil sie allesamt arm waren, hatten sie meist nur eine Pflichtverteidigung, die schlecht vorbereitet war. Um etwas dagegen zu unternehmen, gründeten verschiedene Frauenorganisationen die Kampagne „Freiheit für die 17“. Es saßen zwar mehr als 17 Frauen wegen angeblicher Kindstötung in Haft, doch anfangs hatte die Kampagne noch nicht zu allen Kontakt aufnehmen können. Am 1. April 2014 startete die Kampagne mit dem Ziel, die Begnadigung der 17 Frauen zu erreichen.

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"Wir alle sind die 17 - wir lassen nicht zu, dass ihre Leben dahinwelken" - Spot der Kampagne für die 17

Nach einem Jahr waren zwar erst zwei Frauen freigekommen (darunter auch Guadalupe Vásquez), doch immerhin war dieser Justizskandal zu einem Thema der öffentlichen Diskussion geworden. Für viele galten die Frauen nicht länger als „Kindsmörderinnen“, sondern als Opfer eines höchst ungerechten Justizsystems und einer viel zu repressiven Gesetzgebung. Auch die Lage der noch inhaftierten Frauen besserte sich langsam. In den ersten Jahren von Mitgefangenen und vielen Wärter*innen noch als „Mörderinnen“ beschimpft und diskriminiert, wurden sie nun respektvoller behandelt. Regelmäßig bekamen sie Besuche von den Anwält*innen der Kampagne – und immer häufiger auch von Abgeordneten aus dem Ausland, die sich auf internationaler Ebene für ihre Freilassung einsetzten. So auch von Bundestagsabgeordneten, die die Frauen auf Bitten von INKOTA im Gefängnis besuchten.

INKOTA ist seit Frühjahr 2014 internationaler Partner und Unterstützer von „Freiheit für die 17“. Schon kurz nach Kampagnenbeginn startete INKOTA die erste Briefaktion an den Obersten Gerichtshof und etwas später eine weitere an das Parlament El Salvadors. Mehr als tausend Briefschreiber*innen forderten die Begnadigung der Frauen. Weitere Aktivitäten folgten, um internationale Öffentlichkeit für das Thema zu erreichen. Mit Spendengeldern unterstützte INKOTA außerdem jahrelang die Öffentlichkeitsarbeit der Kampagne.

Nach und nach lernte INKOTA-Projektreferent Michael Krämer, der die Frauen seit 2015 regelmäßig im Gefängnis in Ilopango besuchte, die Geschichten der meisten Frauen kennen. Für ihn war klar: „30 Jahre Haft für eine Fehlgeburt ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Und wie so oft richtet sich das Unrecht gegen arme Frauen. Das ist Klassismus pur. Dieser Skandal muss ein Ende haben.“

Immer häufiger konnte INKOTA seinen Unterstützer*innen Erfolgsmeldungen präsentieren. Viele Frauen kamen frei. Einige, weil sie ein neues Verfahren bekamen, andere, weil ihre Haftzeit verkürzt wurde. Und seit Ende 2019 sind die verbliebenen Frauen auch nicht mehr in dem völlig überfüllten Gefängnis Ilopango untergebracht, sondern in einem Haftzentrum in Zacatecoluca mit deutlich besseren Bedingungen.

Besonders beeindruckend: Viele der Freigelassenen setzen sich für die noch inhaftierten Frauen ein. Wie zum Beispiel Teodora del Carmen Vásquez, die im Februar 2018 nach zehn Jahren Gefängnis freikam und inzwischen ein Haus leitet, in dem Frauen nach ihrer Haftzeit für einige Monate unterkommen können, bis sie sich neu orientiert und möglichst eine Arbeit gefunden haben. „Ich werde mich so lange für die Frauen, die unschuldig im Gefängnis sind, einsetzen, bis alle frei sind!“, erklärte Teodora del Carmen Vásquez bei einem Besuch in „ihrem“ Haus. Für ihren unermüdlichen Einsatz wurde sie im Herbst 2018 sogar mit einem europäischen Menschenrechtspreis ausgezeichnet.

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie konnte „Freiheit für die 17 plus“, wie die Kampagne seit einigen Jahren heißt, kaum noch öffentlich auftreten. Doch auf juristischer Ebene war sie weiter aktiv. Die neuesten Erfolge: Im Juni 2021 wurden Sara Rogel und Marina Portillo freigesprochen. Sie saßen 9 beziehungsweise 14 Jahre unschuldig in Haft. Doch jetzt sind sie frei. Erneute Erfolge für alle, die sich gegen dieses Unrecht einsetzen. Und auch für INKOTA eine Bestätigung mehr, dass diese Kampagne jede Unterstützung verdient!

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