Wissenschaftler entnehmen im Konog erstmal Proben aus dem Kongomoor
Südlink-Magazin

„In Afrika gelten sie als heilig“

Interview mit Lamfu Yengong von Greenpeace Afrika über das größte Moor der Welt und die Bedeutung von Mooren für das globale Klima

von Simone Schlindwein
Veröffentlicht 19. JUNE 2025

Kein Boden weltweit speichert so viel Kohlenstoff und andere klimaschädliche Substanzen wie die Moore. Das weltweit größte Moor wurde erst vor acht Jahren im Kongo-Becken in Afrika entdeckt und muss nun dringend geschützt werden.

Publikation
Titel des Südlink 212 Boden unter Druck, ein Bauer gießt aus einem Eimer Pflanzen auf einem Feld
Südlink 212 - Boden unter Druck
Natur, Macht, Widerstand | Juni 2025
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Südlink 212 - Boden unter Druck
Natur, Macht, Widerstand | Juni 2025
Gute Böden sind die Grundlage einer ausreichenden und gesunden Nahrungsmittelproduktion. Doch ihre Vielfalt ist in Gefahr. Genauso wie der Zugang zu Land, das immer mehr zu einer Ware verkommt. Aber es regt sich auch Widerstand.Ob Monokulturen, der hohe Einsatz von…

Herr Yengong, was genau ist ein Moor und warum sind diese so wichtig für unser Klima?

Moore sind Feuchtgebiete, deren Besonderheit in ihrem hohen Säuregehalt sowie dem niedrigen Sauerstoff- und Nährstoffgehalt liegt. Das bedeutet, dass die angesammelten organischen Substanzen darin sehr lange brauchen, um sich zu zersetzen. Deshalb werden sie als Kohlenstoffsenken bezeichnet. Moorgebiete speichern im Vergleich mit anderen Vegetationsarten am meisten Kohlenstoff. Studien haben beispielsweise gezeigt, dass ein Quadratmeter Moorland mehr Kohlenstoff speichert als fünf Quadratmeter in anderen Ökosystemen.

Im Kongobecken haben wir eine Moorfläche von etwa 167.600 Quadratkilometer. Damit trägt es weltweit zur Regulierung des Klimasystems bei, denn es absorbiert jährlich 1,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid – vier Prozent aller weltweiten Emissionen fossiler Brennstoffe. Sie sind zudem das effizienteste Ökosystem der Welt zur Kohlenstoffbindung. Diese verschiedenen organischen Stoffe werden über einen sehr langen Zeitraum hinweg in Öl und Gas umgewandelt. Das ist auch der Grund, warum diese Torfgebiete durch die Rohstoffindustrie in Gefahr sind.

Das größte Moorgebiet der Welt wurde 2017 im Kongobecken entdeckt. Wie kam es dazu?

Vor einiger Zeit analysierten Professor Simon Lewis von der Universität Leeds in Großbritannien und Professor Raphael Tshimanga von der Universität Kinshasa Satellitenbilder und entdeckten im dichten Wald des Kongobeckens zwischen der Demokratischen Republik Kongo und der Republik Kongo dieses riesige Moorgebiet. Ähnlich wie im Amazonasbecken handelt es sich um eine abgelegene Region, die für Feldforschung nur schwer zugänglich ist.

Die Arbeiten begannen bereits vor 2017: Gemeinsam mit Forschern der Universität Kinshasa hat Greenpeace Bodenproben entnommen. Man hat herausgefunden, und das bereitet mir große Sorgen, dass dieses Moorgebiet langsam austrocknet. Was bedeutet das? Es bedeutet ganz einfach, dass das Moor, sobald es austrocknet, aus einer Kohlenstoffsenke zu einer massiven Kohlenstoffquelle wird. Die große Frage ist also, wie dieses Moorland tatsächlich geschützt werden sollte. Diese hat auf internationaler Ebene für viel Aufregung gesorgt.

Heißt das, bei Hitze schmilzt das Moorland weg und setzt massiv Kohlenstoff und andere Gase wie Methan in die Atmosphäre frei?

Genau, wenn die Temperatur steigt, verdunstet zunächst das Wasser. Der Kohlenstoff selbst wird nicht an der Oberfläche gespeichert, sondern darunter. Sobald die Oberfläche also verdunstet, neigen die Gase dazu, zu entweichen, da das Wasser wie eine Decke wirkt und die verschiedenen Treibhausgase einschließt. Daraus ergibt sich also die Bedrohung durch steigende Temperaturen. Eine weitere Bedrohung stellt die Rohstoffindustrie dar. Wenn diese durch das Moor durchbohrt, gelangen die darunter gespeicherten Gase in die Atmosphäre. Ich spreche vor allem von Methangas, das zu den für das Klima gefährlichsten Treibhausgasen zählt.

Die Regierung der Demokratischen Republik Kongo hat großes Interesse an der Ölförderung. Welche Bedrohungen bestehen für dieses Torfgebiet?

Im Wesentlichen gibt es zwei Bedrohungen: die Rohstoffindustrie und illegalen Holzeinschlag. Wir haben in der Vergangenheit erlebt, dass Ölfelder an ausländische Unternehmen vergeben wurden. Doch sobald die Firmen mit den Bohrungen beginnen, gelangen die Gase an die Oberfläche beziehungsweise in die Atmosphäre. Dies stellt die eine Bedrohung dar. Die Abholzung durch Holzunternehmen ist die andere. Sobald sie die Bäume fällen, wird die Moor-Oberfläche direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt, was zur Verdunstung von Wasser führt.

Die Austrocknung findet im Untergrund statt, nicht an der Oberfläche. Die Folgen sind jedoch noch nicht bekannt. Deshalb hat die Congo Basin Science and Research Initiative (CBSI) in diesem Jahr zwölf Master- und 21 Promotionsstipendien vergeben, um das Ausmaß der Trockenheit in diesem Torfgebiet weiter zu erforschen und eine Simulation zur besseren Analyse des Problems zu ermöglichen.

Welche Mechanismen gibt es zum Schutz von Torfgebieten weltweit und welche konkreten Maßnahmen unternimmt Greenpeace?

Greenpeace setzt sich in Afrika gegen die Rohstoffindustrie ein. Wir ziehen Regierungen und Unternehmen für die tatsächlichen Geschehnisse zur Verantwortung. Dies kann nur auf der Grundlage von Fakten und Beweisen geschehen. Wir haben vor der Unterzeichnung einiger Konzessionen, die sich in den kritischen Ökosystemen, den Torfgebieten, befinden, gewarnt. Anschließend traf sich die Greenpeace-Leitung mit dem kongolesischen Minister für Kohlenwasserstoffe und erläuterte ihm die Auswirkungen auf das marine Ökosystem, die Artenvielfalt, die Lebensgrundlage von Indigenen und lokalen Gemeinden sowie das Klima. Der Minister soll sicherstellen, dass die an die Rohstoffindustrie vergebenen Konzessionen nicht mit diesem kritischen Ökosystem in Konflikt geraten.

Die zweite Strategie von Greenpeace besteht darin, das Bewusstsein zu schärfen und Widerstand in den Gemeinden zu fördern. Außerdem haben wir kürzlich mit nationalen Organisationen in der Demokratischen Republik Kongo und in Kamerun eine Bewegung für Klimagerechtigkeit ins Leben gerufen, die wir nun auf die benachbarte Republik Kongo und auf Gabun ausweiten werden. Im Kern geht es darum, die lokalen Bewegungen zu nutzen, um die Botschaft zu verbreiten und Widerstand zu leisten, indem wir Klagen gegen die Verletzungen der Rechte dieser Gemeinden einreichen.

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Für manche indigenen Völker hat die Natur auch eine kulturelle und spirituelle Dimension. Welche Rolle spielen diese Torfgebiete für die indigene Bevölkerung?

In Afrika gelten diese Wälder als heilig. Die indigenen Völker nutzen sie, um mit ihren Vorfahren in Kontakt zu treten und mit ihnen zu kommunizieren. Einige indigene Völker haben uns erzählt, dass die Wälder ihre Apotheke seien. Das bedeutet, dass sich dort alle Medikamente befinden, die sie traditionell nutzen. Manche sagen, es sei ihr Supermarkt. Das bedeutet, dass sie dort ihre gesamte Nahrung beziehen. Ein weiteres Bedürfnis ist Schutz. Die Temperaturen sind aufgrund der feuchten Beschaffenheit des Torflandes nicht besonders hoch, sodass die Klimaverhältnisse für die Menschen in deren Umgebung sehr angenehm sind. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Indonesien scheint es dort Wasser an der Oberfläche zu geben, das sogar wie ein Brandschutz wirkt. Selbst wenn es irgendwo brennt und sich das Feuer dem Moorland nähert, sind die Moore durch das Wasser geschützt.

Was passiert also, wenn diese Moore verschwinden, und wie dringend ist ihr Schutz?

Die Bedeutung von Mooren für das globale Klima wurde lange Zeit vernachlässigt, insbesondere im Kongobecken. Nach den aktuellen Forschungsergebnissen werden wir möglicherweise weitere Moore im Kongobecken entdecken. Das gibt uns eine Vorstellung davon, wie wichtig dieser Schutz heutzutage ist. Wir bei Greenpeace stellen die Menschen in den Mittelpunkt unserer Arbeit. Unsere Hauptfrage ist: Was passiert langfristig mit der Bevölkerung in diesem Gebiet – in Bezug auf die Medizin, den Lebensunterhalt und das Klima insgesamt? Deshalb setzen wir uns bei Greenpeace dafür ein, dass die Menschen die Bedeutung von Mooren verstehen und sich für deren Schutz einsetzen.

Das Interview führte Simone Schlindwein. Lamfu Yengong leitet die Waldkampagne von Greenpeace Afrika. Mit Greenpeace Afrika setzt er sich seit 2017 für den Schutz des Kongobeckens ein.

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