Ein Mann beim Entkernen der Kakaoschote
Südlink-Magazin

Kakaoanbau ohne Abholzung?

Wie der weltgrößte Kakaoproduzent Côte d‘Ivoire versucht, gegen Entwaldung im Kakaosektor vorzugehen. Bisher noch mit begrenztem Erfolg.

von Bakary Traoré
Veröffentlicht 30. MÄRZ 2022

Der Kakaoanbau ist eine der Hauptursachen für Entwaldung in der Côte d’Ivoire. Die ivorische Regierung und die Europäische Union wollen dem ein Ende setzen. Doch dafür müssen gesetzliche Grundlagen verbessert und die Produzent*innen beim nachhaltigen Anbau unterstützt werden.

Die Côte d‘Ivoire ist ein Agrarstaat und hat einige Superlative aufzubieten: Das Land ist der weltgrößte Kakaoproduzent, der größte afrikanische Produzent von Naturkautschuk und Palmöl und war bis vor drei Jahren der drittgrößte Kaffeeproduzent der Welt. Die Kehrseite der jahrzehntelangen Expansion der Plantagenwirtschaft ist ein großer Verlust an Wäldern und der Artenvielfalt. Innerhalb von nur einem Jahrhundert hat das Land mehr als zwei Drittel seines Waldbestands verloren – dafür ist hauptsächlich der Kakaoanbau verantwortlich. Heute versucht der westafrikanische Staat mit verschiedenen Mitteln seinen Waldbestand wieder zu vergrößern. Doch wie kann es der Côte d‘Ivoire gelingen, eine nachhaltige Kakaolieferkette ohne Entwaldung aufzubauen?

Seit der Unabhängigkeit der Côte d’Ivoire im Jahr 1960 spielt Kakao eine strategische Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes. Im Jahr 2020 produzierte das Land mehr als zwei Millionen Tonnen Kakao, etwa 45 Prozent der Weltproduktion. Der Sektor macht rund 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus und fast sechs Millionen Menschen, knapp ein Viertel der gesamten Bevölkerung, verdienen ihren Lebensunterhalt mit dem Kakaoanbau. Er sichert zudem einen großen Teil der Exporteinnahmen (40 Prozent). Der wichtigste Markt für den ivorischen Kakao ist die Europäische Union. Dorthin werden 67 Prozent des Kakaos exportiert.

Laut der nationalen REDD+-Strategie1 ist die Landwirtschaft für über 60 Prozent der Entwaldung und Waldschädigung im Land verantwortlich. Vor allem Kakao wird zu großen Teilen in geschützten Gebieten wie klassifizierten Wäldern und Nationalparks angebaut. Der ivorische Staat hatte sich deshalb eine umfassende Reform vorgenommen und führte eine „realistische“ Forstpolitik ein, die von der Überlegung ausgeht, dass die Kakaoproduzent*innen, die sich in bestimmten geschützten Wäldern niedergelassen haben, nicht ohne das Risiko sozialer Unruhen von dort vertrieben werden können. Daher wurde im Rahmen der Gesetzesreform eine neue Waldkategorie geschaffen: der sogenannte „Agroforst“. Diese „Agroforste“ sind Flächen, die sich innerhalb geschützter Wälder befinden und landwirtschaftlich genutzt werden dürfen.

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Obwohl die Einrichtung von Agroforsten womöglich ein geeignetes Mittel zur Vermeidung sozialer Unruhen ist, ist fraglich, ob es eine auch eine gute Nachricht für die Wälder der Côte d‘Ivoire ist. Denn damit die Strategie der ivorischen Regierung funktioniert, müssen einerseits die multinationalen Kakaounternehmen mitspielen und andererseits muss eine echte Kontrolle der Plantagen und der in den Agroforsten angesiedelten Kakaoproduzent*innen eingeführt werden.

Die schwierige Kontrolle der Kakaolieferkette

Die Ergebnisse der nationalen Waldinventur, die im Juni 2021 veröffentlicht wurden, zeigen, dass die Waldfläche in der Côte d‘Ivoire von 3,4 Millionen Hektar im Jahr 2015 auf 2,97 Millionen Hektar im Jahr 2020 gesunken ist, was einem Verlust von 430.000 Hektar und damit 12,64 Prozent der bisherigen Waldfläche innerhalb von nur fünf Jahren entspricht. 

Laut einer Schätzung der staatlichen Waldentwicklungsgesellschaft SODEFOR (Société de Développement des Forêts) aus dem Jahr 2017 stammen 40 Prozent des ivorischen Kakaos aus geschützten Gebieten wie geschützten Wäldern, Nationalparks und Naturreservaten. Diese Zahl wird vom Conseil du Café-Cacao, der ivorischen Regulierungsbehörde für den Kaffee- und Kakaosektor, bestritten. Laut der Behörde stammten nur 400.000 der zwei Millionen Tonnen Kakao, die 2020 geerntet wurden, aus geschützten Gebieten, was immerhin 20 Prozent der nationalen Produktion entspricht. Auch diese Zahl ist skandalös hoch. Zumal das Gesetz in dieser Hinsicht sehr klar ist.

Die gesetzlichen Bestimmungen in Côte d'Ivoire verbieten eindeutig den Kakaoanbau in Schutzgebieten. Das Gesetz regelt, trotz einiger Lücken, auch die Ausübung des Berufs des Kakaoeinkäufers. Trotzdem wird in geschützten Gebieten Kakao angebaut, und dieser Kakao gelangt in den offiziellen Vermarktungskreislauf. Eine Rolle spielen mangelnde Kontrollen, die verhindern, dass das Gesetz durchgesetzt wird.

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Die Kontrolle der Kakaolieferkette ist eine große Herausforderung und gleichzeitig einer der Schlüssel zur Bekämpfung von illegal angebautem Kakao und zur Verringerung der durch Kakao verursachten Entwaldung. Diese Kontrolle beruht auf der Einrichtung eines guten Rückverfolgbarkeitssystems. Doch dabei bestehen aktuell auf drei Ebenen Herausforderungen:

  • Die Anzahl der tatsächlichen Produzent*innen in einem Gebiet ist nicht bekannt und wird nicht kontrolliert
  • Ebenso fehlen Daten über die Anzahl der legalen Kooperativen
  • Es fehlt ein System zur Digitalisierung von Kooperativendaten.

Würde es gelingen, Antworten auf diese drei Herausforderungen zu finden, wäre es viel einfacher, den Kakao entlang der Lieferkette zurückzuverfolgen. Bei der Umsetzung stößt man jedoch auf eine weitere große Herausforderung.

Die Kakaobauern haben heute kein Vertrauen in das Kooperativensystem. Viele von ihnen gehören daher keiner Kooperative an. Ihr mangelndes Vertrauen liegt an den gesetzlichen Vorgaben zur Gründung von Kooperativen: Laut Gesetz reichen zwei Personen für die Gründung aus. Das begünstigt die Gründung von Kooperativen, die in Wirklichkeit nicht aus Kakaobauern oder -bäuerinnen bestehen, sondern aus Unternehmen, die Kakao aufkaufen.

Damit landen die Prämien, die von multinationalen Konzernen in Zertifizierungs- und Nachhaltigkeitsprogrammen gezahlt werden, nicht bei den Kakaobauern und Kakaobäuer*innen, sondern in den Taschen derjenigen, die die Kooperative gegründet haben.

Doch auch wenn das derzeitige System dazu nicht in der Lage ist, bleibt die Organisierung der Produzent*innen in Kooperativen für die Rückverfolgbarkeit des Kakaos unerlässlich. Das Kooperativenrecht muss daher reformiert werden, um sicherzustellen, dass es sich bei den Kooperativen tatsächlich um Kooperativen von Kakaoproduzent*innen handelt.

Nur wenn sich die Bäuerinnen und Bauern in Kooperativen zusammenschließen, sind sie in der Lage gemeinsam ihre Interessen zu vertreten. Nur so ist die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten und nur so wird es vertrauenswürdige und transparente Lieferketten ohne Abholzung geben.

Die geplante EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten

Es ist lobenswert, dass die Europäische Union sich für nachhaltigen Kakao einsetzt, der nicht zu weiterer Entwaldung führt. Der aktuelle Entwurf einer EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten sieht daher zwei Anforderungen für die Einfuhr in den europäischen Markt vor: Der Kakao muss entwaldungsfrei sein und legal nach den Gesetzen des Erzeugerlandes hergestellt worden sein. Im Fall von ivorischem Kakao ist die zweite Anforderung problematisch.

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Denn was im Entwurf der EU-Verordnung nicht berücksichtigt wird, ist, dass es in der Côte d'Ivoire illegale Abholzung gibt, die ausdrücklich vom Gesetz verboten ist, aber auch legale Abholzung, die also erlaubt ist. Werden aber in Gebieten, die für die Landwirtschaft bestimmt sind, Waldflächen in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt, ist der Kakao, der dort angebaut wird, legal. Das führt dazu, dass Kakao zwar nach ivorischem Recht durchaus legal produziert sein könnte, aber trotzdem nicht in die EU importiert werden dürfte.

Ein weiteres wichtiges Thema, das für eine wirkungsvolle Umsetzung der künftigen EU-Verordnung von zentraler Bedeutung ist, ist die Verbesserung der Einkommen der Erzeuger*innen. Obwohl es ohne sie keine Kakaolieferkette gibt, sind die Bauern und Bäuerinnen die Ärmsten in der gesamten Kakaolieferkette. Um diese zutiefst ungerechte Situation zu beenden, ist in der Frage des Preises für den Rohstoff Kakao ein echter ideologischer Bruch erforderlich.

Die Frage nach einem angemessenen Einkommen für die Bauern und Bäuerinnen ist im Dialog über nachhaltigen Kakao von zentraler Bedeutung, sie sollte jedoch nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Erhöhung des Einkaufspreises für Kakao behandelt werden. Die Kakaounternehmen sollten sich zusätzlich an der lokalen Entwicklung in den Anbauregionen beteiligen.

Hierfür gibt es bereits einige funktionierende Modelle. Im ivorischen Bergbausektor beispielsweise sind die Bergbauunternehmen verpflichtet, einen Fonds für lokale Entwicklung in Höhe von 0,5 Prozent ihres Jahresumsatzes zu finanzieren. Dieses Modell lässt die Bevölkerung an den Einnahmen aus dem Bergbau teilhaben. Ein solches System könnte auch in der Kakaoindustrie eingeführt werden. Das würde jedoch bedeuten, dass die Transparenz über  die Einkünfte der Kakaounternehmen erhöht werden müsste. Denn mehr soziale Gerechtigkeit könnte die Bevölkerung dazu motivieren, die Initiativen der Politik zum Schutz der ivorischen Wälder und des Klimas zu unterstützen.

Aus dem Französischen von Juliane Bing.

Bakary Traoré ist Jurist und Geschäftsführer der ivorischen Nichtregierungsorganisation IDEF. Er hat Erfahrung mit Lieferketten von natürlichen Ressourcen wie Holz und Kakao und der Umsetzung von Multi-Stakeholder-Initiativen.

Bakary Traoré ist Jurist und Geschäftsführer der ivorischen Nichtregierungsorganisation IDEF. Er hat Erfahrung mit Lieferketten von natürlichen Ressourcen wie Holz und Kakao und der Umsetzung von Multi-Stakeholder-Initiativen.

Ein Mann verteilt Kakaobohnen auf einer großen Fläche
Eine Frau sitzt an einem langen Tisch und guckt in die Kamera, hinter ihr sitzen vier weitere Personen
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