Publikationen

Labels im Check

Qualitätssiegel für Leder- und Schuhwaren mangelhaft

von Berndt Hinzmann
Veröffentlicht 30. MÄRZ 2023

Die gängigsten Leder- und Schuhsiegeln vernachlässigen Arbeitsrechte und soziale Kriterien. Gleichzeitig setzt die Schuh- und Lederbranche die Anforderungen des deutschen Lieferkettengesetzes nicht ausreichend um, sondern versteckt sich hinter freiwilligen Siegeln. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Untersuchung von INKOTA und Südwind Österreich.

Zu den sechs untersuchten Qualitäts-Labels gehören das „Umweltzeichen Blauer Engel für Schuhe“, „Oeko-Tex Leather Standard“, „Naturleder IVN zertifiziert“, das „Österreichische Umweltzeichen“ sowie die beiden Business-to-Business-Zertifizierungssysteme „Leather Working Group (LWG)” und „Higg Brand and Retail Module (HiggBRM)”. Lediglich zwei, der Blaue Engel und das Österreichische Umweltzeichen beruhen auf gesetzlichen Regelungen. Vier weitere Systeme orientieren sich bei der Auswahl ihrer technischen, ökologischen oder sozialen Kriterien vornehmlich an den Interessen der beteiligten Unternehmen. Die Mehrzahl der beschriebenen Zertifizierungssysteme legt ihr Augenmerk auf die Erfassung umwelt- und materialbezogener Indikatoren.

Ein eklatanter Mangel an Verbraucherinformation!

Verbraucher*innen erfahren beim Kauf von Lederwaren und Schuhen nichts über die Arbeitsbedingungen und Sozialstandards. Unternehmen werben mit Siegeln, die nicht verpflichtend sind. Noch ist ausreichend transparent, wie die selbstdefinierten Kriterien überprüft werden. Standards, die für sich Qualität beanspruchen, jedoch keine Informationen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, sind kein ausreichender Beleg für die Erfüllung der gesetzlichen Sorgfaltspflicht, die durch das deutsche Lieferkettengesetz seit Anfang des Jahres festgeschrieben ist. Die Politik muss umfassende Kriterien für Standards und Initiativen festlegen. Dazu zählen ambitionierte Kriterien bzgl. der Transparenz und Qualität sowie Integrität.

Wer ein Gütesiegel sucht, das umfassende nachhaltige Produktionsbedingungen kennzeichnet, wird bei den auf dem Markt bestehenden Zertifizierungen für Leder, Lederwaren und Schuhen nicht fündig. Die zentralen Säulen der Nachhaltigkeit – soziale und ökologische Kriterien – sind nicht gleichwertig und weisen Lücken auf.
Berndt Hinzmann
Referent für Wirtschaft und Menschenrechte bei INKOTA

Der Decent Leather Label Check untersucht eine Auswahl von Qualitätssiegeln, auf die Unternehmen in der Unternehmensbefragung „Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in der Praxis“ verwiesen haben. Die Unternehmen gaben an, über sogenannte Business-to-Business-Standards die Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes in Deutschland zu erfüllen.

Keines der Siegel beinhaltet Angaben zu existenzsichernden Löhnen oder zum risikobasierten Ansatz von Sorgfaltspflichten. Auch bei sozialen Kriterien weisen die Zertifizierungen große Mängel auf: Bei der Leather Working Group, dem Oeko-Tex Leather Standard und HiggBRM sind sie für die Vergabe des Siegels nicht nötig. Bei der Leather Working Group ist es sogar möglich, ohne ein Sozial-Audit die Kennzeichnung „Gold-Medaille“ zu erhalten. Der HiggBRM stellt überhaupt keine Informationen öffentlich, die Einblick in die Risikoanalyse und die Maßnahmen geben, die Unternehmen zur Minimierung oder Vermeidung der Risiken entlang der Lieferkette ergreifen.

Erstellt mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union und durch Brot für die Welt aus Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes. Für den Inhalt dieser Publikation ist allein INKOTA-netzwerk verantwortlich; die hier dargestellten Positionen geben nicht den Standpunkt der Zuwendungsgeber wider.

Ihre Spende hilft!

INKOTA-Spendenkonto
IBAN DE 06 3506 0190 1555 0000 10
BIC GENODED1DKD

Hier können Sie für ein Projekt Ihrer Wahl oder zweckungebunden spenden: